Georgette Heyer
empor. «Ich melde mich selbst an.»
Der Lakai,
der darin nichts Ungewöhnliches sah, verbeugte sich und zog sich wieder in die
unteren Regionen zurück. Sherry setzte seinen Weg fort und betrat ohne weitere
Umstände den Salon. Sir Montagu, für einen Ball gekleidet, ordnete vor dem
Spiegel gerade nochmals die Falten seiner Halsbinde; und in eben diesem Spiegel
begegnete er auch Sherrys Augen. Einen Augenblick stand er völlig regungslos.
Dann wandte er sich um, lächelte liebenswürdig und streckte ihm die Hand
entgegen. «Ach, Sherry!» sagte er in einschmeichelndem Ton. «Du junger
Schlingel, du hast mich schön erschreckt!»
«Wirklich?»
sagte Sherry und ignorierte seine ausgestreckte Hand. «Natürlich! Aber du bist
mir stets willkommen, und das weißt du auch, wie ich hoffe. Hast du beim Rennen
Glück gehabt?»
«Ich bin
nicht gekommen, um mit dir über das Rennen zu sprechen.»
Sir Montagu
hob die Brauen. Dann sagte er in tadelndem Ton: «Mein lieber Junge, das klingt
ja so, als ob du maßlos böse wärest. Was ist denn geschehen, um dich in so üble
Laune zu versetzen?»
«Das ist
geschehen!» sagte Sherry mit sehr bösem Blick. «Ich habe entdecken müssen, daß
jemand – jemand, Revesby! – versucht hat, meiner Frau in meiner Abwesenheit
übel mitzuspielen!»
«Ja,
Sherry, das ist bestimmt empörend, aber was hat das mit mir zu tun?»
«Spar dir
die Mühe, deine Tricks bei mir zu versuchen!» schleuderte ihm Sherry entgegen.
«Ich bin nicht der Narr, für den du mich zu halten scheinst! Ich weiß genau,
mit welchen Dämchen du herumziehst – und eine von ihnen ist Charlotte
Gillingham!»
«Sherry,
was in aller Welt ...»
«Wer hat
die Gillingham angestiftet, meine Frau in ihr Haus zu locken? Sie hätte das nie
aus eigenem Antrieb getan. Sehr geschickt, Revesby! Aber nicht geschickt
genug! Meine Frau war dabei, wie du deinen Bastard verleugnet hast. Sie war
es, die das Mädchen unter ihren Schutz nahm – und du wußtest das! Ja, und ganz
London weiß es, aber sie war es nicht, die es herumerzählte. Es war jemand
anderer, aber ich glaube, daß du dich nicht traust, an diesem anderen Rache zu
nehmen! Bei Gott, ich hätte wissen müssen, mit was für einem gemeinen Kerl ich
es zu tun habe. Jetzt weiß ich es aber, und dafür wirst du mir Rechenschaft
geben!»
Sir Montagu
sah etwas blaß aus, dennoch erwiderte er mit vollendeter Gelassenheit: «Mein
lieber Junge, du bist von Sinnen. Ich habe sogar den Verdacht, daß du ein
wenig betrunken bist. Ich weiß nicht, wovon du sprichst.»
«O ja, du
weißt es!» sagte Sherry wild. «Ich bin kein Frauenzimmer vom Land, das
man so leicht prellen kann! Ich wußte, sobald ich den Namen der Gillingham
gehört hatte, wem ich für diesen Streich zu danken habe. Du Narr, dachtest du,
ich würde es nicht merken? Für welch einen Dummkopf mußt du mich halten!»
«Ich halte
dich für einen jungen Hitzkopf, mein lieber Sherry. Wenn du mir aber nicht
glaubst, dann geh doch und frag Mrs. Gillingham, ob ich mit dem Besuch Lady Sheringhams
in ihrem Hause irgend etwas zu tun hatte.»
«Wo hast du
das Geld hergenommen, mit dem du sie bezahltest, damit sie deinen gemeinen
Plan ausführt?» fragte Sherry beleidigend. «Oder tut sie es bei dir aus Liebe?»
«Geh nach
Hause, Sherry. Du bist ganz bestimmt ein wenig betrunken. Das eine kann ich
dir sagen: ich werde dir nicht gestatten, mit mir Streit anzufangen!»
«So? Das
wirst du nicht? Bei Gott!» sagte Sherry und schlug ihm mit den Handschuhen, die
er umklammerte, mitten ins Gesicht.
Sir Montagus
blasse Wangen erglühten unter dem Schlag, er trat schwer atmend rasch zurück
und starrte seinen Widersacher wild an.
«Nun? Was
wählen Sie?» sagte Sherry. «Wollen Sie Degen oder Pistolen?»
«Ich
wiederhole: ich werde dir nicht gestatten, mit mir Streit anzufangen. Du bist
betrunken. Wenn du sagst, ich hätte Mrs. Gillingham dazu veranlaßt, Lady
Sheringham zugrunde zu richten, dann machst du dich nur selbst lächerlich. Ich
werde es bis zum äußersten leugnen, und sie wird dasselbe tun!»
Sherry sah
ihn einen Moment mit schmal gewordenen Augen verächtlich an. Dann wandte er
sich ab und legte eine Hand auf die Türklinke. «Mein Cousin Ferdy sagte mir,
daß Sie ein gemeiner Kerl sind, Revesby», stieß er hervor. Seine Worte waren
wie Peitschenhiebe, und Revesby zuckte unter ihnen zusammen. «Dabei kennt er
nicht die Hälfte Ihrer Gemeinheit!» fuhr Sherry fort. «Sie sind aber auch ein
Feigling – und das
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