Georgette Heyer
Obhut anvertraut;
außer ihrem Amt, das kurzatmige Tier zu bürsten und an einer Leine
spazierenzuführen, mußte sie auch mit ihrer Gastgeberin Cribbage spielen, ihr
die Zeitungen vorlesen und sie in die Trinkhalle oder in den Kursalon
begleiten, in dessen Karten- und Lesesälen Mylady Stammgast war. Hero hatte ihren
Ehering abgelegt und ihren Mädchennamen wieder angenommen, zwei Prozeduren,
die ihr von Lady Saltash ein anerkennendes Kopfnicken eintrugen. Zuerst fiel es
ihr schwer, sich immer daran zu erinnern, daß sie wieder eine Miss Wantage war,
und als Lady Saltash sie zu einem Kostümball im Neuen Festsaal mitnahm, zog sie
empörte Blicke auf sich, als sie unwillkürlich auf die Plätze zustrebte, die
für die Pairsgattinnen reserviert waren. Aber dieser kleine faux-pas wurde
ohne Schwierigkeiten vertuscht, und sobald ihr der Zeremonienmeister
vorgestellt worden war und dieser die Anerkennung von Lady Saltashs jungem
Schützling bekanntgegeben hatte, war ihre gesellschaftliche Stellung gesichert.
Es lag in der Natur der Dinge, daß sie wenig Wert darauf legte und froh
gewesen wäre, das Leben einer Einsiedlerin zu führen, wenn Lady Saltash es
gestattet hätte. Aber diese hielt nicht viel von Einsiedlerinnen und gab Hero
den guten Rat, nie in den Fehler zu verfallen, der Welt Einblick in ihre
Gedanken zu gewähren.
«Verlaß
dich auf mich, meine Liebe, nichts ist lästiger als eine Person, die ständig
über ihr Schicksal klagt. Denke immer daran, daß niemand das geringste
Interesse an den Sorgen anderer hat! Es wäre sinnlos, wenn du dich abschließen
wolltest, nur weil du dir einbildest, dein Herz sei gebrochen. Mach kein langes
Gesicht! Und seufze nie, denn nichts könnte vulgärer sein.»
Hero
versprach alles zu tun, um fröhlich zu erscheinen, sie meinte aber, daß es
manchmal schwer sei zu lächeln, wenn einem elend zumute ist.
«Unsinn!»
erwiderte Lady Saltash. «Hast du erst einmal so viel Grund wie
ich, von dir zu sagen, man habe dich unglücklich gemacht, dann kannst du es ja
tun, aber glaube mir, meine Liebe, bisher weißt du noch nichts davon, und
höchstwahrscheinlich wirst du es auch nie wissen. Nach dem, was du mir erzählt
hast, besteht nicht der geringste Grund, sich aufzuregen. Ich kenne Anthony
seit zwanzig Jahren, ich kann dir verraten, daß du den richtigen Weg
eingeschlagen hast, um ihn zur Räson zu bringen. Ich glaube, er wird sich schon
jetzt alle Haare ausraufen.»
«Aber ich
möchte ihn doch um keinen Preis der Welt beunruhigen oder unglücklich machen»,
rief Hero aus und sah ziemlich niedergeschlagen drein.
«Höchstwahrscheinlich
hast du es nie getan. Du bist ein törichtes kleines Kätzchen, meine Liebe. Es
scheint, daß mein Enkel mehr Verstand besitzt als du, denn es liegt ganz
bestimmt in seiner Absicht, Anthony außerordentlich zu beunruhigen.»
«O nein,
das soll er nicht! Das wäre noch schlimmer als alles andere», rief Hero
verquält.
«Unsinn! Es
ist die höchste Zeit, daß der Junge einmal zu denken beginnt, denn das ist
etwas, was er, wie ich überzeugt bin, noch nie im Leben getan hat. Ich habe
nicht die geringsten Skrupel, dir zu sagen, meine Liebe, daß ich über alles,
was du mir erzählt hast, angenehm überrascht war. Denn es scheint, als hätte
sich Anthony dir gegenüber mit mehr Rücksicht benommen, als ich von jemandem
erwartet hätte, der dazu erzogen worden war, an nichts als an seine eigene
Bequemlichkeit zu denken. Ich könnte schwören, daß er schon die ganze Zeit in
dich verliebt war, ohne die geringste Ahnung davon zu haben. Es wird ihm sehr
gut tun, dich vermissen zu müssen.»
Hero sah
sie hoffnungsvoll an. «Glauben Sie das wirklich, Madam? Aber vielleicht haben
Sie nicht richtig verstanden, daß er mich nur deshalb heiratete, weil Isabella
Milborne ihm einen Korb gab?»
«Erzähl mir
nur nichts von dieser Isabella Milborne! Sie scheint mir genau der Typ
unbedeutender Mädchen zu sein, die heutzutage als Beautés gelten. Nun, als ich
noch jung war – doch das gehört nicht hierher. Ich wäre sehr überrascht, wenn
wir erfahren müßten, daß sich Anthony etwas aus ihr macht. Du wirst sehen, er
wird früher oder später hier auftauchen, um dich zu suchen. Aber ich sage dir
schon jetzt, mein Kind, wenn du die Absicht hast, ihm auf halbem Weg entgegenzukommen,
um dich entdecken zu lassen, bevor er bedingungslos kapituliert hat, dann will
ich nichts mehr damit zu tun haben! Das ist nicht die richtige Art, einen Mann
zu behandeln. Ein
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