Georgette Heyer
deiner lächerlich kleinen Nase», sagte
der Viscount und versetzte ihr einen leichten Nasenstüber. «Entweder ist es das
oder deine Gewohnheit, einen mit weit aufgerissenen Augen anzustarren. Ich
glaube, ich werde dich von jetzt an Kätzchen rufen. Es paßt auch besser zu dir
als Hero, und überhaupt habe ich schon immer gefunden, daß das ein alberner
Name für ein Mädchen ist.»
«O ja, das
war auch immer mein größter Kummer», rief sie aus. «Du kannst dir das gar nicht
vorstellen, Sherry. Es ist mir viel lieber, wenn du mich Kätzchen rufst.»
«Also gut,
das ist abgemacht», sagte Sherry und ließ seine Pferde wieder antraben. «Jetzt
müssen wir aber einen Entschluß fassen, was, zum Teufel, ich mit dir tun soll,
wenn wir nach London gekommen sind.»
«Du hast
doch gesagt, daß du mir neue Kleider kaufen willst», erinnerte ihn Hero nicht
ohne leichte Besorgnis.
«Das werde
ich natürlich tun, was mir aber einigen Kummer bereitet, ist die Frage, wo du
heute nacht schlafen sollst», gestand Sherry. «Weißt du, wir werden nämlich
heute nicht mehr genug Zeit haben, um zu heiraten.»
«Nein, wenn
wir unsere Einkäufe machen, bestimmt nicht», erklärte Hero bereitwilligst.
«Aber ich könnte doch zu dir nach Hause kommen, nicht?»
«Nein, das
kannst du ganz bestimmt nicht! Das ginge wahrhaftig nicht», widersprach Sherry
entschieden. «Abgesehen davon habe ich kein Zuhause in dem Sinn. Nur ein
Absteigequartier an der St. James Street, aber diese Lage würde dir nicht
passen. Außerdem hätte ich dort keinen Platz für dich. Ich könnte dich zwar
nach Sheringham House bringen, doch ich glaube nicht, daß du es sehr bequem
hättest, denn dort sind jetzt nur der alte Varley und seine Frau, und außerdem
ist alles mit Kattunüberzügen zugedeckt.»
«Ach nein,
bitte bring mich nicht dorthin», bat Hero, durch diese Beschreibung völlig
eingeschüchtert.
Jason, der
dieses Gespräch mit dem größten Interesse verfolgt hatte, unterbrach sie an
dieser Stelle, um seiner Ansicht Ausdruck zu verleihen, daß nichts dem glatten
Verlauf der Entführung schädlicher sein könnte als der alte Varley, den er als
Quatschkopf und Blödian beschrieb, bei dem man damit rechnen müsse, daß er
alles ausquatschen würde.
Dem
Viscount, der es wie alle jungen Leute liebte, seine Reden mit Jargonausdrücken
zu würzen, bereitete es keine Schwierigkeiten, Jasons Redewendungen zu
verstehen und die düstere Warnung herauszuhören. Im ganzen stimmte er mit ihm
überein, doch erklärte er mit einiger Strenge, daß der tiefere Grund seiner
Kritik an dem alten Diener der Familie wohl darin lag, daß Varley ihn dabei
erwischt hatte, wie er den Versuch unternahm, ihm Uhr und Uhrkette zu stehlen.
«Und dabei
fällt mir etwas ein, das ich vergessen habe», rief er aus und wandte den Kopf
über die Schulter zurück. «Zum Kuckuck, ich war in der größten Aufregung, als
ich das Haus verließ, so daß ich es ganz vergessen habe. Ich weiß nicht, was du
gestohlen hast, während wir dort waren, aber du kannst unmöglich zwei Tage in
einem Haus gewesen sein, ohne etwas geklaut zu haben. Gib's her!»
«Richten
Sie lieber Ihre Augen auf die Straße, Guv'nor, schauen Sie auf die Straße!»
beschwor ihn Jason. «In Ihrem Haus hab ich nie nich gemaust! Ich kann's
senkrecht beschwören, und ich werd's auch nie nich tun!»
«Jason!»
sagte Seine Lordschaft in drohendem Ton.
Der
Reitknecht rümpfte die Nase. «Also gut, ich geb's zu, ich hab dem alten Narren
mit dem Teiggesicht zwei Guineen geklaut», gab er mürrisch zu. «Er hat mir nie
nich mal 'nen Penny Trinkgeld gegeben.»
«Willst du
damit sagen, daß du meinem Onkel zwei Guineen gemaust hast?» fragte Sherry.
«Na, wie
sollt ich denn auch wissen, daß Sie was dagegen haben, wenn man ihm was klaut?»
fragte Jason. «Sie haben mir doch nie nich's davon gesagt, Guv'nor, hab nich
glauben können, er is 'n Freund von Sie!»
«Ach was,
wenn das alles ist, dann ist's kein Unglück», sagte Sherry fröhlich.
«Wahrscheinlich war es ja doch mein Geld. Wenn man das nur genau wüßte!»
«Stiehlt er
immer?» flüsterte Hero und hatte runde Augen.
«O ja,
immer. Er kann nichts dafür, weißt du.»
«Aber ist
das nicht sehr unangenehm?»
«Nein, mich
stört es nicht», erwiderte Sherry schlicht. «Mir stiehlt er ja nie etwas. Es
war natürlich höllisch unangenehm, als er meine Freunde immer wieder bestahl –
er klaute die Uhr von meinem Cousin Ferdy fünfmal, bevor er damit aufhörte
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