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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lord Sherry
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sie
speisten, betrachtete der Viscount, der seine Tischdame ziemlich
vernachlässigte, ungeniert jedes weibliche Wesen, das sein flüchtiges Gefallen
erregte, senkte sein monokelbewaffnetes Auge auf jede wohlgeformte Fessel und
machte sich mit seiner Frau über die verschiedensten Paare lustig, die an ihnen
vorüberzogen. Hero erhob gegen all dies keinerlei Einwendungen, ja, sie machte
Sherry sogar selbst hier auf eine schöne Fessel, dort auf eine besonders gute
Gestalt aufmerksam, sie versuchte die Identität verschiedener Personen zu
erraten und nahm mit dem größten Interesse die Belehrungen ihres unverbesserlichen
Gatten entgegen, an welchen Zeichen sie künftighin imstande wäre, jene
Weiblichkeiten zu erkennen, die er so treffend mit «Nobelkokotten»
bezeichnete.
    Eine dieser
Nobelkokotten, die ihre Loge schon eine Zeitlang nicht aus dem Auge gelassen
hatte, nahm jetzt die Gelegenheit wahr, ihm einen derart herausfordernden
Blick über die Schulter zuzuwerfen und mit einem derartig verführerischen
Schwung der Hüften an ihm vorbeizuschlendern, daß kein Gentleman mit der
Veranlagung des Viscount dieser Herausforderung hätte widerstehen können. «Ich
glaube, ich kenne dieses kleine Lockvögelchen!» rief er aus. «Ich muß
herausbekommen, ob es nicht die Flyaway Nancy ist; ich möchte fast wetten, daß
sie es ist, dieses freche kleine Stück!»
    Damit
verließ er unvermittelt Heros Seite, um die verführerische Sirene über das
Tanzparkett des großen Hauses zu verfolgen. Hero hielt das Ganze für einen
ausgezeichneten Spaß, sie beobachtete seine kecken Annäherungen an das
plötzlich spröde gewordene Mädchen, und ihre Augen blitzten fröhlich durch die
Schlitze ihrer Maske.
    Plötzlich
bemerkte sie, daß sie sich nicht mehr allein in ihrer Loge befand; ein
maskierter Fremder war eingedrungen, indem er einfach über die niedrige
Brüstung stieg, die sie vom Parkett trennte. Hero drehte sich überrascht um,
als eine männliche Stimme ihr ins Ohr flüsterte: «So allein, schöne Maske?»
    «Ja. Wer
sind denn Sie?» fragte Hero unschuldig.
    «Ebenfalls
eine einsame Seele», erwiderte der Eindringling, setzte sich unaufgefordert auf
Sherrys verlassenen Stuhl und legte seinen Arm über die Lehne des ihren. «Haben
Sie Mitleid mit mir, schöne Unbekannte!»
    Hero nahm
zunächst an, daß der Maskierte jemand sein müsse, den sie kannte, aber seine Stimme
war ihr völlig fremd, und sie fand durchaus keinen Gefallen an seinem
familiären Benehmen. Sie sagte sehr vernünftig: «Sie können gar nicht wissen,
ob ich hübsch bin oder nicht, Sir, aber ich weiß ganz bestimmt, daß Sie mir nie
vorgestellt wurden. Bitte entfernen Sie sich wieder.»
    Darüber
lachte er nur. «Ach, was sind Sie für eine prüde kleine Wildkatze! Soll ich
mich etwa in aller Form vorstellen? Und wenn ich es täte, würden Sie mir dann
sagen, bei welchem Namen ich Sie rufen kann?»
    «Nein, das
werde ich ganz bestimmt nicht», sagte Hero kurz. «Ich wünsche aber auch den
Ihren nicht zu erfahren. Gehen Sie!»
    «Was für
ein schlimmes Wildkätzchen, es zeigt seine Krallen!» schalt ihr Quälgeist. «Ich
möchte wahrhaftig wissen, weshalb ich Ihnen nicht gefalle? Denn ich weiß ganz
bestimmt, daß Sie mir gefallen würden – wenn ich Sie zu sehen bekäme.»
    «Sie werden
mich nicht zu sehen bekommen, und wenn Sie meine Loge nicht augenblicklich
verlassen, dann werde ich es tun», sagte Hero, die sich sehr gerade in ihrem
Stuhl aufrichtete und unter der Maske errötete.
    Er legte
einen Arm um ihre Schulter. «Aber nein, denn ich bin überzeugt, daß Sie mir
den Anblick Ihrer Reize nicht verwehren werden», sagte er und tastete
gleichzeitig mit seiner freien Hand nach den Bändern ihrer Maske.
    Hero stieß
voller Empörung einen kleinen Schrei aus und suchte ihn abzuschütteln. Der
Viscount, der eben fast genau dasselbe versuchte wie der fremde Eindringling,
sah zufällig gerade in diesem Augenblick in die Richtung seiner Loge. Ein Fluch
kam über seine Lippen; das erstaunte Dämchen, das mit halbem Herzen versucht
hatte, ihn zurückzuweisen, sah sich plötzlich von ihrem Kavalier verlassen und
bemerkte reichlich erzürnt, wie er eilfertig und ungestüm in seine Loge
eindrang. Er sprang leichtfüßig über die Brüstung, zerrte den
unternehmungslustigen Vorstadtbeau von seinem Stuhl und streckte ihn mit einem
einzigen wohlgezielten Schlag zu Boden, den er selbst als kleine Abreibung
bezeichnet hätte.
    «Oh, danke
Sherry!» brachte Hero

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