Georgette Heyer
eine
Ballettänzerin oder so etwas Ähnliches haben und daß nichts dabei ist. Gil,
haben Sie auch ...»
«Nein»,
unterbrach sie Mr. Ringwood eilig, wenn auch nicht höflich.
«Oh!» sagte
Hero und dachte darüber nach. Sie erhob ihre Augen zu seinem Gesicht und stieß
einen winzigen Seufzer aus. «Ich bin nicht prüde, Gil.»
«Nein»,
stimmte Mr. Ringwood gefühlvoll zu.
«Und ich
werde auch nie rechthaberisch sein, denn meine Cousine sagte, es gäbe nichts,
was die Männer mehr verabscheuen. Aber ich kann mir nicht helfen, daß ich
wünsche – nur ganz klein wenig wünsche –, daß Sherry keine
Ballettänzerin hätte.»
Mr.
Ringwood stieß einige unartikulierte Töne aus und führte seine verwirrend
aufrichtige Schutzbefohlene in die Loge zurück. Dort gesellten sich nach
wenigen Augenblicken der Viscount und Mrs. Hoby zu ihnen, und da sich der
Vorhang fast unmittelbar danach hob, ergab sich keine Möglichkeit für weitere
vertrauliche Mitteilungen.
Die
Gesellschaft verließ das Opernhaus gemeinsam in der Barutsche der Sheringhams.
Mrs. Hoby hielt eine lebhafte Konversation im Gange, bis sie vor ihrer Haustür
abgesetzt wurde. Mr. Ringwood fuhr mit den Sheringhams in die Half Moon Street,
lehnte jedoch die Einladung, mit ihnen ins Haus zu kommen, feige ab; er
verabschiedete sich auf der Türschwelle, um den Rest des Weges bis zu seiner
Wohnung zu Fuß zurückzulegen. Es ging ihm sehr zu Herzen, auf das flehende
Zupfen Heros an seinem Ärmel nicht reagiert zu haben, aber er war der Meinung,
daß er einen höchst unbequemen Dritten bei dein Streit abgeben würde, der sich
so offensichtlich zusammenbraute.
Nachdem der
Butler dem heimkehrenden Paar die Tür geöffnet hatte, sagte Hero nach einem
verstohlenen Blick auf das unheilkündende Antlitz des Viscount: «Ich bin sehr
müde. Ich glaube, ich werde direkt in mein Zimmer hinaufgehen.»
«Schick
deine Kammerfrau zu Bett!» erwiderte Seine Lordschaft. «Ich wünsche mit dir
unter vier Augen zu sprechen.»
Die
beunruhigende Aussicht auf eine Aussprache unter vier Augen mit einem Gatten,
der einer stürmischen Gewitterwolke glich, machte Hero krank vor Angst. Sie
hätte ihre Kammerfrau gern bei sich behalten, da es aber mehr als
wahrscheinlich war, daß Sherry die Frau aus dem Zimmer weisen würde, falls er
sie bei seinem Eintreten noch vorfinden würde, wagte sie es nicht.
Fünf
Minuten nachdem sich die Tür hinter der Kammerfrau geschlossen hatte, trat er
ohne jede Förmlichkeit bei Hero ein, die eben damit beschäftigt war, die
Perlengarnitur in ihre Schmuckschatulle einzuschließen; sie sah ohne die
Juwelen viel jünger aus, in der Tat glich sie so sehr dem lästigen kleinen
Mädchen, das der Viscount schon während seiner Schulzeit tyrannisiert hatte,
daß er augenblicklich die würdevolle Rede vergaß, auf die er sich den ganzen
Weg von der Oper hierher vorbereitet hatte, durch das Zimmer schritt, sie bei
den Schultern packte und unbarmherzig schüttelte: «Du abscheuliches kleines
Ding, wie konntest du es wagen?» fragte er zornig. «Habe ich dir nicht gesagt,
habe ich dich nicht ermahnt, deine verdammt indiskrete Zunge in acht zu nehmen? < O Sherry, ist das deine Ballettänzerin? > Nein, es war nicht meine
Balletttänzerin, und das bekommst du dafür mit meinen besten Empfehlungen!»
Tränen
stiegen Hero in die Augen. Wieder freigelassen, preßte sie die Hand auf ihre
brennende Wange und sagte mit bebender Stimme: «Oh, Sherry, nicht! Ich wollte
es doch nicht sagen. Ich hatte bloß vergessen, daß wir nicht allein waren.»
«Wenn du
nur den Anflug einer vornehmen Gesinnung hättest», sagte Seine Lordschaft
wütend, «wäre es dir nie in den Sinn gekommen, das zu sagen.»
«Ja, aber,
Sherry, sie sah dich doch so an und lächelte dabei, daß ich mich nur fragen
konnte – Aber ich sehe vollkommen ein, daß ich kein Wort darüber hätte
verlieren dürfen – es tut mir schrecklich leid, und ich werde es nie wieder
tun.»
«Das möchte
ich dir auch geraten haben!» erwiderte ihr unversöhnlicher Gemahl. «Und wenn
ich irgend etwas von Frauen verstehe, dann wird es deine Cousine in einer Woche
in der ganzen Stadt herumerzählt haben –
oder vielmehr sie würde es herumerzählen, wenn sie sich in den ersten Kreisen
bewegen würde, was durchaus nicht der Fall ist. Und das bringt mich auf den
zweiten Punkt. Ich weiß nicht, wie es möglich ist, daß du eine Cousine mit so
schlechtem Ton hast; wenn du die Absicht hast, dich ständig in
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