Georgette Heyer
wissen wir schließlich schon von ihm?
–, kann sie jetzt schon auf dem halben Weg nach Wolverhampton sein!»
«Ausgerechnet nach Wolverhampton?»
rief er erschrocken. «Fanny, um Himmels willen ...! Was sucht Serena in
Wolverhampton? Wer ist Mr. Goring?»
«Oh, er ist Mrs. Floores Patenkind
oder so irgend etwas! Ich muß zwar sagen, ein sehr würdiger junger Mann, aber
so schrecklich langweilig und respektabel!»
Er mußte wider Willen lachen. «Na,
wenn er langweilig und respektabel ist, wird er Serena wohl kaum entführen!»
«Nein, ich glaube ja nicht, daß es
so schlimm ist, aber was geschieht, wenn sie sie nicht einholt, bevor sie
Gloucester erreichen? Sie kann doch nicht die ganze Nacht durchreiten, und dann
sitzt sie da, Meilen und Meilen weit weg von Bath, ohne Gepäck, nur mit Mr.
Goring und einem kaputten Ruf! Du solltest lieber ihren Brief lesen!»
«Ja, wirklich, das sollte ich doch
lieber!» sagte er.
Sie zerrte den Brief aus ihrem
Retikül und gab ihn ihm. «Sie sagt, ich soll dir erzählen, was geschehen ist,
also kannst du ebensogut selbst lesen, was sie sagt. Hector, ich bin wirklich
direkt böse auf Serena!»
Er hatte das Blatt Papier entfaltet
und überflog es schnell. «Emily
– Gerard – Gretna Green! Guter Gott! Was
soll das heißen? Oh, hier steht es! Monksleigh mietete die Chaise, um nach
Wolverhampton zu fahren. Meine Liebe, Serena schreibt ja gar nicht, daß sie
dorthin will!»
«Sie ist zu allem fähig!» sagte
Fanny verzweifelt.
Er las weiter und runzelte die
Stirn. Als er zu Ende war, faltete er den Brief und gab ihn Fanny wortlos
zurück.
«Was soll ich tun?» fragte sie. «Was
kann ich denn tun?»
«Ich glaube, wir können beide nichts
tun», antwortete er. «Wenn ich annehmen könnte, daß es auch nur im geringsten
nützte, würde ich ihr nachreiten, aber entweder ist sie schon auf dem Rückweg,
oder sie ist schon weit jenseits meiner Reichweite. Fanny, macht sie solche
Sachen eigentlich oft?»
«Oh, Gott sei Dank nein! Ja, ich
habe es bis heute noch nie erlebt, daß sie mit einem fremden Mann weggeritten
wäre – nun, jedenfalls mit einem nur flüchtig Bekannten! – und nicht einmal
Fobbing mitgenommen hätte. Natürlich ist es sehr unrecht von Gerard und Emily,
durchzubrennen, aber es ist doch schließlich nicht Serenas Sache, sich um Emily
zu kümmern! Und ich muß schon sagen, wenn das unselige Mädel Angst hat, daß
ihre gräßliche Mutter sie zwingt, Lord Rotherham zu heiraten, und sie deshalb
mit Gerard davonläuft, dann kann ich es ihr nicht ganz verdenken! Wie sich
Serena einbilden kann, daß Emily mit einem Mann wie Rotherham je glücklich
werden kann, ist mir einfach ein Rätsel, Hector!»
«Glaubst du, daß Serena eigentlich
Emilys Glück sehr am Herzen liegt?» fragte er langsam. «Mir scheint, es ist
Rotherhams Glück, das sie interessiert.» Er nahm ihr den Brief aus der Hand und
entfaltete ihn wieder. « < Ich kann und will es nicht zulassen, daß sie Ivo
einen solchen Streich spielen! Es ist undenkbar, daß er zum zweitenmal sitzengelassen
wird, und diesmal noch dazu wegen eines solchen Lebkuchenbabys wie Gerard –
eines dummen Jungen, der noch nicht Fisch oder Fleisch ist und außerdem sein
Mündel! > » Er ließ das Blatt sinken und schaute Fanny an. «Wenn du mich fragst,
mein Liebes, Emily hätte Serenas Segen zu ihrem Durchbrennen gehabt, wenn
nicht Rotherham betroffen wäre! Gott, welch eine Verwirrung!»
Sie schaute ihn groß an. «Aber,
Hector, das ist doch nicht möglich! Sie sagte mir schon Monate bevor sie dich wieder
traf, daß ihr nur ein einziges Mal an jemandem gelegen war, und das warst du!
Und als ihr einander wieder begegnet seid – o Hector, du kannst doch nicht
bezweifeln, daß sie im selben Augenblick wieder in dich verliebt war!»
Er sagte kläglich: «Das habe ich
ebensowenig bezweifelt wie meine eigenen Gefühle, Fanny.»
«Hector, ich bin überzeugt, du irrst
dich! Sie kann doch nicht Rotherham lieben! Und was ihn betrifft, so habe ich
nie das geringste Anzeichen bemerkt, daß er den Bruch der Verlobung bedauerte
– ja im Gegenteil! Ihm liegt nicht das geringste an ihr – nun, hat er denn das
nicht allzu offen gezeigt, wenn es überhaupt eines Beweises bedurft hätte? Er
hegt keinerlei Zärtlichkeit für sie, nicht einmal Besorgnis! Er ...»
«Glaubst du, daß Serena wünscht,
umsorgt zu werden, Fanny?» fragte er. «Manchmal schien mir, nichts könnte sie
böser machen.»
«O nein, nein!» protestierte sie.
«Es
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