Georgette Heyer
sie würde von Lord Rotherham nichts zu
fürchten haben. Deshalb war sie nach Hause zurückgekehrt und hatte sich
seither die Augen ausgeweint, weil es ihr so schrecklich, schrecklich leid tat.
Und schließlich – würde er ihr verzeihen und glauben, daß sie es nie wieder
tun würde?
Er merkte endlich, daß sie zu
sprechen aufgehört hatte, und sah, daß sie ihre Augen schmerzlich fragend auf
ihn geheftet hielt. Er sagte unvermittelt: «Emily, liebst du Gerard?»
«O nein!» sagte sie, und an der
Aufrichtigkeit der Antwort war nicht zu zweifeln.
Hier also lag der Ausweg nicht. Es
gab nur eines, der Geschichte zu entrinnen, und das war, den wütenden Liebhaber
zu spielen und auf die Verlobung zu verzichten. Das aber war nicht zu machen.
Sie dazu zu bringen, ihm den schönen Diamantring, den er ihr gegeben hatte, ins Gesicht zu schleudern, war
eines, aber sie zuerst soweit zu bringen, mit seinem Mündel durchzubrennen,
und sich dann gegen sie zu wenden, stand auf einem ganz anderen Blatt. Er
fragte sich, was für einen Druck ihre Mutter wohl angewandt haben mochte, daß
sie so sehr darauf aus war, ihn zu heiraten. An Reichtum und Stellung dachte
sie nicht länger. Wenn er nur Lady Laleham loswerden konnte, war es möglich,
mit Emily eventuell zu einer Verständigung zu kommen – wenn sie überhaupt fähig
war, irgend etwas zu verstehen, wonach sie freilich nicht aussah.
«Ich glaube, es wäre besser, wenn
wir das allein besprechen könnten», sagte er.
Lady Laleham hatte durchaus nicht
die Absicht, dies zuzulassen. Unglückseligerweise war Emilys Entsetzen vor ihm
größer als die Angst vor ihrer Mutter, und sie unterstützte ihn durchaus nicht,
sondern flüchtete an die Seite Lady Lalehams.
In diesem Augenblick aber öffnete
sich die Tür, und eine verblüffende Erscheinung wallte ins Zimmer. «Dachte ich
mir's doch!» sagte Mrs. Floore bedeutungsvoll. «Und wer hat dir eigentlich
erlaubt, in meinem Haus Gäste zu empfangen, Sukey?» Sie verstärkte ihren Griff
auf Mr. Gorings stützenden Arm und fügte hinzu: «Nein, du bleibst hier, Ned! Du
weißt alles. Es ist heute nichts vorgegangen, was du nicht wüßtest, und du hast
dich als ein wahrer Freund erwiesen, genau wie dein Vater vor dir!»
Rotherham riß seine Augen nur schwer
von der Pracht los, die vor ihm stand, und schaute Lady Laleham an. Was er in
ihrem Gesicht las, bereitete ihm beträchtlichen Trost. Wut und Kummer
zeichneten sich groß auf ihm ab, und unter diesen Gefühlen lauerte, wenn er
sich nicht sehr täuschte, auch Furcht. Das also war die geheimnisvolle Großmutter,
über die er Emily ausgefragt hatte, als er sie zum erstenmal traf! Er richtete
seinen durchdringenden Blick wieder auf Mrs. Floore, die es sich in einem ihr
zusagenden Stuhl bequem gemacht hatte und Mr. Goring anwies, ihr einen
Fußschemel unterzuschieben.
Mrs. Floore würdigte die Gelegenheit
mit einem erstaunlichen Gewand aus glänzendem Satin mit breiten Streifen in
sattem Rubinrot und einer Menge Volants und Rüschen. Diese prächtige Robe lag
über einem Reifrock, wie er in ihrer Jugend modern gewesen war, und wurde über
einem Unterkleid aus Seide getragen. Ein Gemisch von Broschen schmückte das
tiefe Dekolleté, und uni den kurzen Hals lagen mehrere Reihen bemerkenswert
großer Perlen. Ein Turban aus rubinroter Seide und Flitter war mit einem
Büschel Straußenfedern verschönt, von den Ohrläppchen hingen zwei große Rubine.
«So ist's gut», nickte Mrs. Floore
und rückte den Fußschemel mit dem roten Absatz ihrer Spangenschuhe zurecht.
«Und jetzt schauen wir uns einmal diesen kostbaren Marquis an, von dem ich so
viel gehört habe!»
Lady Laleham murmelte Rotherham mit
einem nicht sehr überzeugenden, weil mühsamen Lächeln zu: «Die liebe Mama ist
ziemlich exzentrisch!»
«Ich bin gar nicht exzentrisch, und
taub bin ich auch nicht!» sagte die liebe Mama scharf. «Ich bin eine
gewöhnliche Frau, die von soliden Kaufleuten abstammt, und bin vernünftig
genug, mich dessen nicht zu schämen, wenn ich auch nicht dein feines Getue habe.
Und das zweite, was ich dir sagen will, ist, daß du mir lieber diesen Marquis
vorstellen solltest, statt hier herumzustehen und dir die Lippen zu nagen und
dich zu fragen, was er wohl von deiner Ma denken mag! Er kann denken, was er
will, und wenn Emma ihn heiraten wird – was jedoch noch durchaus nicht
feststeht! –, wird es für ihn um so besser sein, je früher er sich an ihre
Großmutter gewöhnt!»
«How do you do?» sagte
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