Georgette Heyer
dürfen, war genau
das, was sie gern mochte und wozu Serena überhaupt nicht taugte, ja, wovon sie
überhaupt nichts verstand. In ihrer Natur lag es, zu herrschen; sie hatte den
Haushalt ihres Vaters bewundernswert regiert und siegreich die älteren Damen
widerlegt, die sie für zu jung hielten, um mit einer solchen Aufgabe fertig zu
werden; aber ihre Vorstellung vom Haushaltführen bestand darin, den
Haushofmeister oder den Kammerdiener rufen zu lassen und ihnen allgemeine
Anweisungen zu geben. Wäre je einmal ein schlecht zusammengestelltes Mahl zu
Tisch gebracht worden, wäre sie unverzüglich eingeschritten, damit sich ein
solches Malheur nicht wiederhole; hätte man jedoch von ihr verlangt, selbst ein
Menü zusammenzustellen, wäre das für sie eine ebenso schwierige Aufgabe
gewesen, wie ein Ei zu kochen oder ihr Bett selbst zu machen. So wie Fanny froh
gewesen war, ihr in Milverley die Zügel in Händen zu lassen, so froh war nun
Serena, Fanny alle häuslichen Belange im Dower House überlassen zu können. Sie
konnte sich nur wundern, daß Fanny diese Aufgabe Freude machte und sie in so
eingeschränkter Umgebung soviel fand, das sie interessierte. Aber je glänzender
die Gesellschaften in Milverley gewesen waren, um so mehr hatte Fanny sie
gefürchtet. Sie lebte gern zurückgezogen, ihr Verstand war nicht glänzend, und
ihre Heirat war so bald auf ihre Schulzeit gefolgt, daß sie nur wenig von der
Welt ihres Gatten, in die sie geraten war, und nichts von all den
Persönlichkeiten wußte, die sie bevölkerten. Ihre Anmut und sanfte Würde hatten
sie zwar manche qualvolle Stunde siegreich bestehen lassen, aber nur sie allein
wußte, was für eine nervenzermürbende Mühe es in den ersten Monaten ihrer Ehe
bedeutet hatte, an Gesprächen teilzunehmen, die vor Anspielungen auf Ereignisse
nur so schwirrten, die sie nicht kannte, oder auf Persönlichkeiten, die sie nie
im Leben gesehen hatte. Ein Besuch von Mrs. Aylsham aus The Grange oder Janes
Anekdoten von deren Kindern, die sie sich stundenlang anhören durfte, waren
genau das Richtige für sie, während es für Serena nichts Langweiligeres gab und
sie kaum wußte, wie sie diese Sitzungen ohne Gähnen überstehen sollte.
Die Damen von Milverley waren zwar
mit dem ganzen benachbarten Adel bekannt, jedoch mit niemandem auf vertrautem
Fuß gestanden. Die Kluft, die zwischen Milverley und den bescheideneren Häusern
lag, war zu tief, um einen freien Austausch der Gastfreundschaft zu erlauben;
und obwohl der Fünfte Earl seinen Nachbarn gegenüber sehr liebenswürdig und
Serena peinlich auf die Gebote der Höflichkeit bedacht gewesen war, herrschte
allgemein das Gefühl, daß ein Essen oder eine Abendgesellschaft in Milverley
keiner Gegenein ladung bedurfte. Bei Jagden kam es nicht selten vor, daß Seine
Lordschaft, hatte ihn der letzte Zielpunkt zu weit von Milverley weggeführt,
seine Mahlzeit aufs Geratewohl im Haus irgendeines Jagdfreundes einnahm. Meist
hatte er seine Tochter bei sich, beide bis an die Haarwurzeln schmutzbedeckt;
und wie es allgemein hieß, hätte man sich keine Gäste vorstellen können, die
weniger hochmütig oder leichter zu bewirten gewesen wären als diese beiden.
Aber wenn man auf dem Weg über die Feststiege von Milverley von Lakai zu Lakai
weitergereicht wurde, mehrere Salons durchschritt, im Langen Salon von Lady
Serena empfangen wurde und sich zu einem Mahl niedersetzte, das nach der
Auffassung Seiner Lordschaft – und ganz aufrichtig gemeint – «gerade nur ein
gewöhnliches anständiges Abendessen» war, dann gab es nur wenige Damen, die so
eingebildet waren, daß sie ohne Erschauern mit dem Gedanken spielten, sich für
diese Gastfreundschaft formell zu revanchieren.
Als Stiefmutter und Tochter ihren
Wohnsitz im Dower House aufschlugen, empfanden die Wohlerzogenen viel Scheu;
und alle – mit Ausnahme der aufdringlichen Leute ohne Taktgefühl – warteten ab,
wie sich die beiden Damen ihren Nachbarn gegenüber einstellen würden, bevor
sie ihnen Höflichkeiten aufdrängten, die vielleicht nicht willkommen waren.
«Mit dem Ergebnis», sagte Serena,
die sich der Skrupel der Taktvollen vollauf bewußt war, «daß wir der Gnade der
Ibsleys und dieses gräßlichen Laleham-Frauenzimmers ausgeliefert sind; meine
liebe Fanny! Oh, ich muß dir erzählen, daß ich heute früh in Quenbury direkt
in Mrs. Orrell hineingerannt bin und sie offen bezichtigte, uns zu vernachlässigen!
Du weißt ja, wie leger sie ist. Sie sagte mir – und wie sie
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