Georgette Heyer
drückte die hohe Bibermütze auf seinen blonden Schopf. «O
Gott, ja! Ich bin so verwirrt ...! Darf ich dich begleiten? Deine Zofe – der
Diener ...?»
«Ich bin allein. Du kannst mir
deinen Arm reichen, wenn du so nett sein willst – aber wolltest du nicht in die
Bücherei?»
«Nein – ja! Was soll das heißen –
allein? Wie kommt das? Sicher ...»
«Mein lieber Hector, an meinem
nächsten Geburtstag, der nicht mehr fern ist, bin ich sechsundzwanzig!» sagte
sie, legte ihre Hand auf seinen Arm und zog ihn sanft vom Eingang der Bücherei
fort. «Bin ich denn nie ohne einen Diener ausgegangen, als du mich früher
kanntest? Vielleicht nicht, da ich ja in Tante Theresas Obhut war. Sie hat
höchst veraltete Ansichten. Wie lange scheint das alles her zu sein! Ich war
kaum neunzehn, und du warst so stolz auf deine ersten Regimentsabzeichen! Zu
welchen schwindelnden Höhen hast du es gebracht? Sag mir, wie ich dich anreden
soll!»
Mit seiner Rechten drückte er die
behandschuhten Finger, die so leicht in seiner linken Armbeuge lagen. «Wie du
es ohnehin schon tust. Der Klang von < Hector > auf deinen Lippen ist eine
Musik, die je wieder zu hören ich keine Hoffnung
mehr hatte! Es gibt keine schwindelnden Höhen; ich habe keinen imposanteren
Titel als den eines Majors.»
«Klingt aber sehr gut, versichere
ich dir. Bist du auf Urlaub? Du trägst keine Rangabzeichen.»
«Ich habe noch Ende des Krieges den
Dienst quittiert. Du weißt es wahrscheinlich nicht – mein ältester Bruder ist
vor drei Jahren gestorben. Ich wurde sein Nachfolger um die Zeit, als
Bonaparte von Elba floh, und mußte daher vor zwei Jahren den Dienst
quittieren.»
«Das wußte
ich nicht – verzeih, bitte!»
«Wie solltest du auch?» sagte er
einfach. «Ich hätte nicht im Traum gehofft, daß du mir einen Platz in deiner
Erinnerung einräumst.»
Es gab ihr einen Stich, als sie
erkannte, wie klein der Platz tatsächlich gewesen war, den er eingenommen
hatte, und sie sagte stockend: «Ich hätte auch nicht gedacht – daß du mich
sofort erkennst – nach so langer Zeit ...!»
«Du bist meinen Gedanken nie
entschwunden. Dein Gesicht, deine lächelnden Augen begleiteten mich auf jedem
Feldzug!»
«Nein, nein, wie kannst du nur so
romantisch sein?» rief sie aus, erschrocken und gerührt zugleich.
«Aber es ist wahr! Als ich von
deiner Verlobung mit Lord Rotherham las – ich kann dir nicht beschreiben, wie
ich litt!»
«Du hast es
gelesen! Du hast die Ankündigung gesehen!»
«Ja.» Er lächelte traurig. «Wann
immer mir eine Londoner Zeitung in die Hände geriet, suchte ich die
Gesellschaftsspalte nach deinem Namen ab.
Absurd, nicht? Die Morning Post, die jene Ankündigung enthielt, hatte mir meine Schwester
geschickt. Sie wußte, daß ich dich kannte, und dachte, deine Verlobung würde
mich interessieren. Sie konnte nicht ahnen, welch einen
Sturm der Gefühle sie dadurch in mir weckte! Ich hatte mich ja darauf
eingestellt, daß du einen anderen als mich heiraten würdest; das hätte ich
vielleicht ertragen und meine Gefühle besser beherrscht, hoffe ich, wenn es
nur Rotherham nicht gewesen wäre!»
Sie blickte überrascht auf. «So
wenig konntest du ihn leiden? Ich dachte, du hättest ihn kaum gekannt?»
«Das stimmt – ich bin ihm vielleicht
nur dreimal begegnet.» Er schwieg, und sie sah, daß seine wohlgeformten Lippen
schmal wurden. Nach einer Weile sagte er: «Ich glaube immer, er war es, der uns
getrennt hat.»
Sie erschrak. «O nein! Wirklich
nicht! Wieso denn? Wie wäre das möglich gewesen?»
«Er hat seinen Einfluß auf deinen
Vater ausgenützt. Ich wußte von Anfang an, daß er mein Feind war, Serena.»
«Nein! Bedenke, wie jung du warst!
Er hat kein sehr verbindliches Wesen, und seine abrupte Art und der finstere
Blick haben dir den Eindruck gegeben, daß er dich nicht mochte. Mein Vater war
aus sachlichen Gründen gegen die Verbindung mit dir. Außerdem hielt er uns für
zu jung, und – oh, ich glaube, er hatte es sich in den Kopf gesetzt, daß ich
Rotherham heirate!»
«Hätte er sich nicht von Rotherham
zu der Meinung überreden lassen, wir paßten nicht zueinander, dann kann ich
mir nicht vorstellen, daß er so unnachgiebig gewesen wäre! Seine Liebe zu dir
war viel zu groß, als daß er dich rein äußeren Ambitionen geopfert hätte.»
«Vielleicht hat er wirklich so
gedacht. Aber daß es ihm Ivo in den Kopf gesetzt haben soll, gebe ich nicht zu.
Guter Gott, Hector, warum hätte er das tun sollen?»
«Als ich
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