Georgette Heyer
die sorgenvoll gefurchte Stirn,
alles erregte sofort ihr Mitgefühl. Sie war scheu veranlagt; sie war immer
jedermann gegenüber sehr schüchtern, den sie nicht gut kannte; aber jetzt
fühlte sie sich nicht gehemmt. Sie sagte mit ihrem hübschen Lächeln: «Wollen
Sie sich nicht setzen und mir sagen, was Sie bekümmert? Sie wissen, ich bin
sehr dumm, und ich verstehe einfach nicht, was Sie meinen!»
Er warf ihr einen dankbaren Blick zu
und sagte: «Sie sind ja so freundlich! Ich rede wahrscheinlich wie ein Narr
daher! Ich bin gekom men, um Sie zu fragen – Lady Spenborough, soll ich
wirklich so unverschämt anmaßend sein und Serena bitten, mich zu heiraten?»
Sie bekam große Augen vor Erstaunen.
«Anmaßend? Aber – aber warum denn?»
«Halten Sie mich nicht dafür? Aber
haben Sie es bedacht? Ich nehme an, Sie wissen, daß die Gefühle, die mich
beseelen, nicht – nicht erst jüngsten Datums sind. Es ist fast sieben Jahre
her, daß ich sie zuerst sah, und seit jenem Tag sind meine Gefühle
unverändert! Sie erschien mir damals wie ein himmlisches Wesen, das auf die
Erde herabgestiegen war, und jede andere Frau mußte neben ihr gewöhnlich erscheinen.
Ihre Schöheit, ihre Anmut, die reine Musik ihrer Stimme – ich konnte das alles
nie vergessen! Es lebte in mir, in allen meinen Träumen ...» Er hielt inne,
wurde rot und lachte unbeholfen. «Ich rede schon wieder wie ein Narr!»
«Nein, nein!» hauchte sie. «Bitte,
glauben Sie das nicht! Sprechen Sie weiter, bitte!»
Er starrte auf seine Hände, die er
zwischen den Knien gefaltet hielt. «Nun – ich bin überzeugt, Sie sind sich
dessen bewußt, daß ich die Kühnheit hatte, meine Augen – zu hoch zu erheben!»
«Das dürfen Sie nicht sagen», warf
sie sanft ein.
«Es ist wahr! Damals freilich dachte
ich anders. Ich war sehr jung. Rang und Vermögen schienen mir keine Rolle zu spielen,
wenn sie gegen eine so große Zuneigung gewogen wurden, wie mich die unsere zu
sein dünkte. Ich glaube, ich habe es jenen nie verziehen, die uns trennten,
bis jetzt, da der Schatz, den ich für unerreichbar hielt, in meine Reichweite
gerückt erscheint; und jetzt erst muß ich – als Mann von Ehre! – die
Berechtigung der Argumente einsehen, die vor sieben Jahren gegen mich
angeführt wurden!»
Wieder unterbrach sie ihn.
«Verzeihen Sie! Aber vor sieben Jahren wurde Serena gerade in die Gesellschaft
eingeführt, und Sie waren ein jüngerer Sohn ohne Aussichten! Jetzt ist sie ihre
eigene Herrin, und Sie sind nicht mehr jener Junge, der gerade zum Militär kam
und, wie mir Serena einmal erzählte, stolz auf seine ersten Regimentsabzeichen
war. Wäre es ihr damals erlaubt worden, Sie zu heiraten, hätte sie Ihnen in
Garnisonen und ins Feld folgen müssen; heute ist es doch anders, nicht?»
Er blickte auf und sah sie gespannt
an. «Ich habe zwar den Besitz geerbt, was ich nie für möglich gehalten hätte,
aber er ist nicht groß. Ja, in ihren Augen muß das Gut sogar klein erscheinen
und trägt mir gerade soviel ein, daß es mir zwar ein angenehmes Leben bietet,
nicht aber als Vermögen bezeichnet werden kann. Ein elegantes Leben kann ich
Serena gewährleisten, ein luxuriöses aber nicht. Das Haus, in das ich sie
führen würde, kann mit Milverley nicht verglichen werden, obwohl man es immer als geräumig
bezeichnet. Ich war nie in Milverley, aber ich war auf ähnlichen Besitzungen zu
Gast. Ich habe sogar auf ein oder zwei Gütern dieser Art gelebt und weiß, daß,
gemessen an der Größe und dem Stil eines solchen Besitzes, mein armes kleines
Herrenhaus wie ein Zwerg erscheinen muß. Ich glaube, ich könnte es mir
leisten, für die Saison ein Haus in London zu mieten, aber nie ein Palais wie
Spenborough House.»
«Oh!» rief sie unwillkürlich.
«Glauben Sie wirklich, daß solche Bedenken für Serena je ins Gewicht fallen
könnten?»
«Nein! Sie ist zu hochherzig – zu
großmütig! Wenn sie ihr Herz verschenkt, wäre sie, glaube ich, auch bereit, in
einem Bauernhaus zu leben! Aber für mich fallen diese Bedenken ins Gewicht! Und
sie wiegen um so schwerer, gerade weil Serena sie mit einem Lachen abtäte!»
«Ich kann mir keine Frau vorstellen,
die sich mehr wünschen könnte, als Sie ihr zu bieten haben», sagte Fanny
sehnsüchtig.
«Ist das Ihr Ernst, Lady
Spenborough? Sie glauben nicht, daß es unrecht von mir wäre, Serena um ihre
Hand zu bitten?»
«Nein, wirklich nicht! Ich habe
natürlich nicht das Gefühl, daß Serena gerade ein Bauernhäuschen genügen
Weitere Kostenlose Bücher