Georgette Heyer
diesem Ideal entfernt
bin. Ich bin immerhin so aufrichtig, daß ich dir sogar in diesem Augenblick
sage, daß du mich nicht anbeten darfst.»
Er lachte nur und küßte sie wieder.
Sie protestierte nicht mehr, da sie zu sehr Frau war, um von dieser Vergötterung
nicht tief beeindruckt zu sein; sie mochte zwar
einem falschen Bild gelten, stand aber außer Zweifel.
Es dauerte nicht lange, bis er ihr
viel von dem sagte, was er vorher schon Fanny gesagt hatte; er legte ihr
besorgt seine Verhältnisse dar und verweilte so ausführlich auf dem Unterschied
zwischen ihrer beider Rang und Vermögen, daß sie ihn schließlich in einem
Gemisch von Belustigung und Ungeduld unterbrach: «Mein liebster Hector, wenn du
nur nicht solchen Unsinn reden wolltest! Warum mißt du dem Rang so viel Gewicht
bei? Du bist ein Edelmann, und ich hoffe, ich bin eine Edelfrau, und was das
Vermögen betrifft, wird es uns eben sehr gut gehen!»
Sein Ausdruck veränderte sich; er
sagte: «Ich wünsche zu Gott, du hättest kein Vermögen!»
Es war nicht zu erwarten, daß sie
einen solchen Standpunkt verstehen würde, und sie verstand ihn auch nicht. In
ihrer Welt war ein Mädchen mit geringer Mitgift bemitleidenswert. Selbst eine
Liebesheirat mußte einen guten Ehekontrakt im Hintergrund haben, und ein Mann,
der ein Mädchen ohne Mitgift heiratete, mußte schon hübsch reich und wirklich
betört sein. Man sah ihr das Erstaunen an, und sie wiederholte verständnislos:
«Wünschen, daß ich kein Vermögen hätte?»
«Ja! Es wäre mir bei weitem lieber,
du hättest keinen Cent, als daß du so reich bist, daß mein eigenes Vermögen
daneben wie ein Bettel aussieht!»
Ihre Augen lachten. «Oh, du
Dummkopf! Hast du Angst, daß man dich für einen Mitgiftjäger hält? Das ist doch
die hirnverbrannteste Idee, auf die du kommen kannst! Nein, wirklich, Hector,
das ist geradezu unerlaubt dumm!»
«Ich weiß nicht, ob mir das viel
ausmacht – obwohl es die Leute bestimmt sagen werden! –, aber ich will meine
Frau selbst erhalten und schon gar nicht von ihrem Vermögen leben! Serena, das
mußt du doch verstehen!»
Es kam ihr absurd romantisch vor,
aber sie sagte nur spöttisch: «Hast du daran auch vor sieben Jahren gedacht?»
«Vor sieben Jahren», antwortete er
ernst, «lebte dein Vater noch, und du warst nicht Herrin über dein Vermögen.
Wenn ich überhaupt daran gedacht haben sollte – aber du mußt bedenken, daß ich
damals fast noch ein grüner Junge war! –, habe ich vermutlich angenommen, daß
Lord Spenborough, hätte er die Verbindung zugelassen, dir eine Summe im
Verhältnis zu meinen eigenen Mitteln ausgesetzt hätte.»
«Oder mich enterbt?» fragte sie
amüsiert.
«Oder dich enterbt», stimmte er
vollkommen ernst zu.
... du hättest kein Vermögen, sagte der Major Kirkby. So war das damals im Biedermeier.
Hundertfünfzig Jahre später, Anfang 1965, stand in der Kopenhagener Zeitung «Berlingske Tidende» folgende Heiratsanzeige: «Gleichberechtigungs-Fanatiker sucht Bekanntschaft mit berufstätiger und pensionsberechtigter Frau, die ihm eine gesicherte Zukunft bieten kann.»
Tempora mutantur – die Zeiten ändern sich. Damals behinderte, heute befördert das Vermögen der Angebeteten die Heirat. Aber nicht deshalb allein legen so viele Frauen ihr Geld in Pfandbriefen an.
Sie merkte, daß es ihm ernst war,
mußte aber wider Willen lachen und sagte: «Zu schlimm, daß du nicht
die Rolle des Cophetua spielen kannst! Ich werde immer eine gewisse
Unabhängigkeit besitzen, die mir niemand entwinden kann. Aber fasse Mut! Es ist
durchaus nicht sicher, daß ich je mehr als eben dieses Minimum haben werde.
Bist du bereit, mich auch mit meinen schäbigen siebenhundert Pfund pro Jahr zu
nehmen, mein komischer Mitgiftjäger? Ich warne dich, es kann sehr gut sein, daß
es nicht mehr wird!»
«Im Ernst?» fragte er, und seine
Stirn glättete sich. «Lady Spenborough deutete an, daß dein Vermögen irgendwie
gebunden sei, aber nicht mehr. Sag es mir!»
«Gern, aber wenn du es etwa als
erfreuliche Neuigkeit aufnimmst, werden wir uns wahrscheinlich in die Haare
geraten!» warnte sie ihn. «Es ist einfach infam! Mein lieber, aber
irregeleiteter Vater hinterließ mein Vermögen – alles, außer dem, was ich von
meiner Mutter habe – Rotherham in treuhändiger Verwaltung für mich, mit der
Bedingung, daß er mir nicht mehr als das Taschengeld, das ich immer bekam, ausfolgt,
bis zu meiner Heirat, die aber – höre und staune! – der Zustimmung
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