Georgette Heyer
würden Sie gar nicht glauben!» Sie fischte in
ihrem Retikül nach ihrem Taschentuch und wischte sich ungeniert die Augen. «Sie
sehen selbst, Mylady, was sie darüber schreibt, daß ich sie in ihrem
großartigen Haus besuchen soll! Gott segne ihr gutes Herzchen! Ich werde es
nicht tun, aber allein zu wissen, daß sie es will, macht alles wieder gut!»
Serena sagte das Passende darauf und
verließ die alte Dame, die in einem seligen Traum von Großartigkeit aus zweiter
Hand befangen zurückblieb. Sie erwähnte den Brief Fanny gegenüber nicht und versuchte,
nicht mehr an ihn zu denken. Aber viel zu oft für ihre Seelenruhe kam er ihr
wieder zu Bewußtsein; immer wieder überraschte sie sich dabei, daß sie über
seinen tieferen Sinn grübelte; sie sah, daß einem so schlecht zusammenpassenden
Paar nichts als Desillusion bevorstand, und fragte sich voll Staunen und
Abscheu, wie Rotherham so verrückt sein konnte, hinter einem bezaubernden
Gesicht nicht so viel Dummheit erkannt zu haben.
Erst nach einer Woche erhielt sie
von ihm eine Antwort auf ihren Brief. Die Post aus London erreichte Bath jeden
Vormittag zwischen zehn und zwölf Uhr, und das Schreiben wurde vom Postamt
gebracht, eine halbe Stunde nachdem Serena zu einem Picknick unter der nominellen
Obhut einer jungen Ehefrau ihrer Bekanntschaft fortgefahren war. Fanny hielt es
wirklich nicht für richtig, sich einer fröhlichen Gesellschaft anzuschließen.
Sie selbst wollte nicht mithalten und versuchte schüchtern, Serena davon
abzureden. Aber Serena schien ihre alte Tonart wiedergefunden zu haben und war
auf Vergnügen bedacht. Fast hätte man sagen können, daß sie in empörend guter
Laune war, fröhlich bis zum Überschwang. Fanny hatte Angst, daß sie sich plötzlich
entschließen könnte, wieder Bälle zu besuchen, und versuchte Major Kirkby
eindringlich von der Notwendigkeit zu überzeugen, daß er einen so unklugen
Start verhindern müsse. Er machte eine hoffnungslose Geste: «Was kann ich
schon dagegen tun?»
«Auf Sie muß sie doch hören!»
Er schüttelte den Kopf.
«O doch, doch!» tief Fanny. «Wenn
Sie ihr verbieten würden ...»
«Ihr verbieten! Ich?» rief er aus. «Das würde sie
sehr hitzig übelnehmen! Nein wirklich, Lady
Spenborough, das wage ich nicht!»
«Ihnen kann sie es doch nicht übelnehmen!»
Er wurde rot und stammelte: «Ich
habe kein Recht. Wenn wir erst verheiratet sind – Nicht, daß ich mich je in ihr
Vergnügen einzumischen gedenke! Und», fügte er flehend hinzu, «bestimmt kann
es nicht unrichtig sein, wenn sie es tut?»
Sie sah, daß er davor zurückschrak,
Serenas Zorn herauszufordern, und fühlte zu sehr mit ihm, als daß sie ihn
weiter gedrängt hätte. Sie konnte nur beten, daß Serena vor öffentlichen Bällen
einhalten würde, und sie bitten, daß sie sich unter Mrs. Osbornes
gelegentlichem Schutz diskret benehme. Serena setzte sich das schickste
Schäferhütchen aus weißem Seidenstroh mit einem Büschel weißer Rosen auf die
kupfernen Locken, warf ihr einen mutwilligen Blick aus den Augenwinkeln zu und
sagte nachgiebig sanft: «Ja, Mama!»
So brach Serena, von ihrem Major
begleitet, zu dem Picknickausflug auf; und Fanny, die die Post des Tages
durchsah und einen Brief mit Rotherhams Namen auf dem Umschlag entdeckte, war
gezwungen, ihre Seele in Geduld zu üben, bis Serena nach Laura Place zurückkehren
würde. Das war erst zur Zeit des Abendbrotes, und dann, statt den Brief sofort
zu lesen, legte sie ihn zur Seite und sagte: «Fanny, habe ich dich warten
lassen? Ich bitte um Verzeihung! Sag ihnen, sie sollen sofort servieren; ich
bin in fünf Minuten wieder da!»
«O nein! Lies doch zuerst deine
Briefe! Ich konnte nicht umhin zu sehen, daß einer davon Rotherhams Namen
trägt, und du mußt doch gespannt sein zu erfahren, wie er die Nachricht von
deiner Verlobung aufgenommen hat!»
«Mir ist es viel wichtiger, daß du
nicht eine Minute länger auf dein Diner warten mußt. Ich glaube, es ist völlig
belanglos, ob es Rotherham paßt oder nicht; vernünftigerweise kann er seine
Zustimmung nicht versagen. Ich werde nach dem Essen lesen, was er dazu zu sagen
hat.»
Fast hätte Fanny sie ohrfeigen
können.
Aber als Serena endlich den Brief
erbrach und das einzelne Blatt entfaltete, stellte sich heraus, daß die
Botschaft des Marquis eine Enttäuschung war. Fanny beobachtete Serena beim
Lesen, war ganz atemlos vor Besorgnis und konnte es sich nicht versagen,
eifrig zu fragen: «Nun? Was schreibt er? Verbietet
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