Georgette Heyer
treiben!» fügte er hinzu. Er stand auf. «Wir haben
wirklich nichts mehr dazu zu sagen. Gehen wir?»
«Ja. Das heißt – ich muß nachdenken!
Schon bevor ich die Größe dieses erschreckenden Vermögens kannte, hatte ich
Gewissensbisse und meinte, daß ich kein Recht hätte – Wäre Lady Spenborough
nicht gewesen, ich glaube, ich hätte mich von Serena losreißen müssen!»
Rotherham schlenderte zur Tür, blieb
aber stehen und schaute den Major an.
«Hat Lady Spenborough Sie ermutigt, sich zu erklären?»
«Ja. Ich war in einer
elenden Ungewißheit! Ich hatte das Gefühl, daß sie die einzig richtige Person
sei, die ich um Rat fragen konnte!»
«Guter Gott!»
«Sie denken an ihre Jugend. Aber ich
wußte, wie sehr sie Serena ergeben ist. Ihre Güte, ihre Freundlichkeit – ich
finde keine Worte, um sie zu beschreiben! Es muß ein großer Schlag für sie
sein, Serena zu verlieren, aber ich glaube, sie denkt nie an sich. Ich glaube,
ich habe noch nie jemand so Jungen und Schüchternen kennengelernt, der eine
solche Charakterstärke, so viel Verständnis hat!»
«Eine vorzügliche Frau», stimmte
Rotherham zu. «Serenas Heirat wird zweifellos einen traurigen Verlust für sie
bedeuten. Sie ist wirklich ganz ungeeignet dazu, allein zu leben.»
«Nicht wahr? Man hat unwillkürlich
das Gefühl, sie beschützen zu müssen – Aber ich fürchte, ihre Schwester wird
ihr aufgedrängt werden, und nach allem, was ich höre, 'ist diese das
unangenehmste, kritischste Geschöpf, das man sich denken kann.»
«Wirklich? Zweifellos düstere
Aussichten. Aber ich bin überzeugt, sie wird wieder heiraten.»
«Heiraten!» Das klang wie vom Donner
gerührt, aber nach einem verdutzten Augenblick sagte der Major schnell:
«Freilich, ja! Natürlich! Wir müssen es hoffen.»
«Ich jedenfalls hoffe es», sagte
Rotherham vieldeutig und öffnete die Tür.
Als sie die Treppe hinaufgingen,
klang ihnen Musik entgegen. Fanny saß am offenen Fenster und schaute in die
zunehmende Dämmerung hinaus, Serena am Klavier in der hinteren Hälfte des
Salons. Sie hörte zu spielen auf, als sie bemerkte, daß die Herren hereingekommen
waren, aber der Major ging zu ihr und sagte: «Ah, bleib bitte sitzen! Du hast
die Haydn-Sonate gespielt, die ich dir empfohlen habe!»
«Ich habe versucht, sie zu spielen.
Aber ich bin noch nicht so weit, daß man sie anhören kann!»
«Versuch es noch einmal!»
schmeichelte er. «Ich werde dir umblättern.»
Sie ließ sich überreden. Rotherham
ging zum Fenster hinüber und setzte sich neben Fanny. Eine Weile beobachtete er
mit ausdruckslosem Gesicht das Paar am anderen Ende des Zimmers. Dann wandte er
den Kopf und schaute Fanny an. Er sagte mit etwas gedämpfter Stimme: «Ich höre,
daß Sie mit dieser Heirat einverstanden sind, Lady Spenborough?»
«Ja, ich – ich bin so überzeugt, daß
er Serena glücklich machen wird!»
«Wirklich?»
«Es kann ja gar nicht anders sein!»
sagte sie sehnsüchtig. «Er ist so überaus gütig und – und liebt sie so
hingebend!»
«So höre ich.»
«Wirklich, es ist wahr! Er betet sie
an; ich glaube, es gibt nichts, was er nicht täte, um ihr Freude zu machen!»
«Ausgezeichnet? Streitet er mit
ihr?»
«Nein, nein! Er hat das gutartigste
Gemüt, das man sich denken kann, und er ist so geduldig! Ich habe das Gefühl,
daß seine Zärtlichkeit und Nachsicht es ihr einfach unmöglich machen müssen,
mit ihm zu streiten.» Sie sah, wie er den Mund zu einem spöttischen Lächeln
verzog, und stammelte: «Er mißfällt Ihnen doch nicht, Lord Rotherham?»
Er zuckte die Achsel. «Ich sehe
nicht, was mir mißfallen könnte.»
«Ich bin so froh, daß Sie Ihre Zustimmung
nicht versagt haben.»
«Es hätte nichts genützt.»
Sie schaute ihn ängstlich an, raffte
sich auf und sagte: «Ich fürchte, Sie sind nicht sehr erfreut. Er ist ihr an
Rang und Vermögen nicht ebenbürtig, aber was seinen Wert betrifft, versichere
ich Ihnen wirklich ...»
Er unterbrach sie in seiner heftigen
Art. «Im Gegenteil! Ich bin erfreuter, als ich es erwartete. Hätte ich gewußt ...»
Er brach ab. Sie sah, daß das Lächeln ganz verschwunden war und seine Brauen
sich wieder zusammenzogen. Er saß eine Weile düster brütend da. Es schien ihr,
daß sein Gesicht härter wurde, während sie ihn beobachtete. Als hätte er ihre
Augen auf sich ruhen gefühlt, schrak er aus seinen Träumen auf, wandte den
Kopf und traf ihren fragenden Blick. «Menschen wie Sie und Major Kirkby sind zu
beneiden!» sagte er
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