Georgette Heyer
sie
gezwungen sein sollte, den Rest ihres Lebens in beengteren Verhältnissen zu
leben. Ich bezweifle sehr, daß sie dazu überhaupt imstande ist. Das jedoch geht
mich nichts an. Versuchen Sie auf alle Fälle, sie zu überreden, wenn Sie
glauben, daß Sie das können, und imstande sein sollten, sie zu erhalten, falls
es Ihnen gelungen ist!»
Lange Zeit war es still. Der Major
ließ sich in den Sessel fallen und starrte sein Weinglas an, das er zwischen
Finger und Daumen hin- und herdrehte. Endlich holte er tief Atem und blickte
entschlossen auf. «Lord Rotherham, als ich Serena bat, mich zu heiraten, war es
in dem Glauben, daß, obwohl ihr Vermögen möglicherweise größer sein mochte als
meines, es nicht derart immens sei, daß mein Heiratsantrag eine Frechheit wäre!
Ich staune, daß Sie sich mir gegenüber mit einer solchen – ich muß es Nachsicht
nennen – mit einer solchen Nachsicht verhalten! Ich bin mir wohl bewußt, in
welchem Licht ich einem jeden erscheinen muß, der mit den Umständen nicht
vertraut ist! Um mir Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, will ich Ihnen sagen,
daß ich sie geliebt habe – die Erinnerung an sie –, seit ich sie zum erstenmal
gesehen habe! Auch sie hat Zuneigung zu mir gefaßt. Sie hätte mich schon damals
geheiratet, aber meine Bewerbung wurde als unpassend abgewiesen – was sie ja
auch war! Ich war damals bloß ein grüner Junge, noch dazu ein jüngerer Sohn.
Wir wurden getrennt. Ich konnte nicht hoffen, sie je wiederzusehen, aber
vergessen konnte ich sie nicht! Für mich war sie – ein unerreichbarer Traum,
eine herrliche, unerreichbare Göttin!» Er hielt inne, wurde rot und sagte
etwas mühsam: «Aber ich muß ja nicht versuchen, es Ihnen zu erklären, stelle
ich mir vor. Ich weiß – Serena erzählte mir ...»
«Wenn Ihnen Serena erzählt hat, daß
ich sie je für eine Göttin hielt, ist sie entweder eine unverantwortliche
Lügnerin, oder sie hält Sie zum besten!» unterbrach Rotherham scharf.
«Das hat sie nicht – ich habe nur
geglaubt ...»
«Dann glauben Sie es nicht länger!
Ich verstehe demnach, daß Sie – als Sie die Nachfolge auf dem Besitz antraten,
der Ihnen jetzt gehört – entschieden haben, sie sei Ihnen nicht mehr
unerreichbar?»
Der Major schüttelte den Kopf. «So
etwas wäre mir nie eingefallen. Ich nahm nicht einmal an, daß sie sich an mich
erinnern konnte. Aber wir haben einander wiedergetroffen – hier in Bath, keiner
von uns beiden hätte sich das je träumen lassen.» Er hob die Augen flüchtig zu
dem strengen Gesicht auf und wurde leicht rot, als er sagte: «Es war, als
rollten die Jahre zurück – bei beiden von uns!»
«Ich verstehe.» Rotherham lächelte
leicht. «Ihr Traum ist also wahr geworden.»
«Es klingt dumm, glaube ich. Ich
hatte nicht vor, Ihnen das alles zu erzählen! Aber nach dem, was heute abend
geschehen ist ...»
«Es klingt gar nicht dumm. Sie haben
ein ganz besonderes Glück, Major Kirkby. Meiner Erfahrung nach ist die
Erfüllung eines solchen Traumes häufig eine schwere Enttäuschung. Serena ist
also genauso, wie Sie sie sich vorgestellt haben – Sie müssen sie viel besser
gekannt haben, als ich es für möglich gehalten hätte!»
«Wie könnte – wie könnte ich denn
von ihr enttäuscht sein?» fragte der Major unnötig heftig.
«Augenscheinlich sind Sie es ja
nicht.»
«Nein! Das wäre undenkbar!»
«Dann brauchen wir also auch nicht
daran zu denken. Ich bin Ihnen sehr verbunden, daß Sie mich mit Ihrem
Vertrauen beehrt haben, aber es war nicht nötig. Ich habe mir nicht
eingebildet, daß Sie Serena wegen ihres Vermögens heiraten wollen: sie ist
nämlich nicht so dumm, daß sie einem Mitgiftjäger hereinfallen würde! Sie ist
mir aber auch nicht für ihre Handlungen verantwortlich.»
«War das nicht eben der Grund – sie
gerade vor einem Mitgiftjäger – als der ich erscheinen muß – zu schützen, daß
ihr Vater Sie zu ihrem Kurator bestellt hat?»
Rotherham verzog den Mund. «Nein.
Das war es nicht. Zweifellos hat er zumindest gehofft, daß ich ihre Heirat mit
irgendeinem offenkundig unerwünschten Menschen verhindern kann. Aber nur ein
Unterschied der Vermögenslage würde, bilde ich mir ein, noch kein < unerwünscht > in den Augen des Gesetzes darstellen. Sie würde ja doch heiraten, wen sie will,
selbst obwohl ich ihr geschworen habe, daß sie keinen Pfennig mehr als das
Taschengeld bekommt, das sie jetzt hat.» Er lachte kurz auf. «Und mich nachher
bis zum Appellationsgericht
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