Georgette Heyer
unvermittelt. «Ihr macht auch Fehler, aber ihr werdet nie
derart krasse Fehler begehen, wie sie einem Temperament entspringen, das nie
gebändigt wurde! Ich muß gehen. Bleiben Sie, bitte, sitzen!»
Sie war völlig verwirrt und konnte
nur sagen: «Sie bleiben doch noch zum Abendtee!»
«Nein, danke! Es ist noch nicht
finster, und der Vollmond wird gleich da sein; ich habe vor, noch heute abend
nach London aufzubrechen.» Er drückte ihr die Hand und ging sich von Serena
und dem Major verabschieden.
«Schon so bald!» rief Serena und
stand schnell vom Klavier auf. «Guter Gott, habe ich dich mit meinem
jämmerlichen Spiel vertrieben?»
«Ich habe nicht zugehört. Ich
übernachte heute in Marlborough oder Newbury und darf daher nicht länger
bleiben.»
Sie lächelte, hielt aber seine Hand
fest. «Du hast mir noch nicht Glück gewünscht.»
Einen Augenblick herrschte Stille,
während sie einander in die Augen starrten. «Habe ich das nicht? Ich wünsche
dir Glück, Serena.» Einen Augenblick lang verstärkte sich sein Händedruck fast
schmerzhaft. Dann ließ er ihre Hand los und wandte sich dem Major zu. «Auch
Ihnen wünsche ich Glück. Wie ich ahne, werden Sie es haben.»
Ein kurzes Adieu, und er war
gegangen. Serena schloß den Flügel. Der Major wartete einen Augenblick und
beobachtete sie, als sie die Noten zusammenlegte. «Nicht mehr?» fragte er
sanft.
Sie blickte auf, als wüßte sie
nicht, was sie getan hatte. Dann legte sie die Noten in ein Schränkchen und
antwortete: «Nicht mehr heute abend. Ich muß es noch üben, bevor ich es dir
wieder vorspiele.» Sie drehte sich um, legte ihre Hand auf seinen Arm und ging
mit ihm in den vorderen Teil des Zimmers. «Na, das lief ja ziemlich erträglich
ab, nicht? Ich wollte, ich wäre nicht wütend geworden, aber er hat mich dazu
gereizt. Hast du ihn gehaßt?»
«Ich habe ihn nicht gerade geliebt»,
bekannte er. «Aber ich muß sagen, er behandelte meine Anmaßung
mit einer Freundlichkeit, die ich nicht erwartet hätte.»
«Immer diese Anmaßung! Wenn du nur
nicht so alberne Dinge sagen wolltest!» sagte sie ungeduldig. Er schwieg, sie
drückte seinen Arm und sagte leicht scherzend: «Weißt du, daß ich in Kürze
sechsundzwanzig Jahre alt bin? Ich bin dir sehr dankbar, daß du mir einen
Heiratsantrag gemacht hast. Ich habe schon ganz die Hoffnung aufgegeben, daß
ich noch eine respaktable Verbindung zustandebringe!»
Er lächelte, sagte aber: «Das geht
nicht, Serena! Versuche nicht, mich abzulenken! Wir müssen diese Sache sehr
ernst miteinander besprechen.»
«Nicht jetzt! Ich weiß nicht, wie es
kommt, aber ich habe Kopfschmerzen. Quäle mich nicht, Hector!»
«Mein Liebling! Ich werde dich
lieber bitten, zu Bett zu gehen! Du hättest mir nicht erlauben sollen, dich am
Klavier festzuhalten! Hast du Fieber?»
Sie zog ihre Hand aus seinem Arm.
«Nein, nein! Es ist nichts – nur die Hitze! Ah, da kommt endlich der Tee!»
Er schaute sie voll Sorge an, die
nicht geringer dadurch wurde, daß Fanny sagte: «Kopfweh? Du, Liebste? Über so
etwas habe ich dich noch nie klagen gehört! Oh, ich hoffe, du hast keinen
Sonnenstich? Du solltest zu Bett gehen! Lybster, sage Er der Jungfer Ihrer
Gnaden, sie möge sofort Essig in ihr Zimmer hinaufbringen, bitte!»
«Nein!» schrie Serena fast. «Um
Himmels willen, laßt mich in Ruhe! Was ich am meisten in der Welt verabscheue,
ist ...» Sie hielt inne und biß sich auf die Lippen. «Ich bitte um
Entschuldigung!» sagte sie dann und zwang sich zu einem Lächeln. «Ihr seid
beide sehr lieb, aber bitte glaubt mir, ich will nicht, daß man mir die
Schläfen mit Essig einreibt oder daß man so viel Getue um Nichts veranstaltet!
Es wird mir gleich besser sein, wenn ich den Tee getrunken habe.»
Es schien, daß der Major etwas sagen
wollte, aber gerade als er den Mund öffnete, schaute ihn Fanny an und
schüttelte ganz leicht den Kopf. «Wollen Sie, bitte, Serena die Tasse reichen,
Major?» sagte sie ruhig.
Aber er mußte doch zuerst um Serena
herumtanzen, während sie sich in einem Lehnstuhl niederließ, ihr ein Kissen
hinter den Kopf stecken und einen Fußschemel unterschieben. Sie packte die
Armlehnen so fest, daß die Knöchel hervortraten, und preßte die Lippen zusammen.
Aber als er die Tasse auf ein Tischchen neben sie stellte, lächelte sie wieder
und dankte ihm. Fanny begann mit ihrer sanften Stimme zu ihm zu sprechen und
lenkte seine Aufmerksamkeit von Serena ab. Nach einer Weile richtete sich
Serena auf, so
Weitere Kostenlose Bücher