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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lady April
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doch erlaubt,
sich der Hoffnung hinzugeben, daß sie sich vielleicht in wesentlich kürzerer
Zeit in interessanten Umständen befinden könnte als ihre Mama. Und da Cardross
weder durch ein Wort noch durch einen Blick das geringste Zeichen einer
Enttäuschung zu erkennen gab und ihre Gedanken in angenehmster Weise mit den
mannigfachsten Festlichkeiten der vornehmen Welt beschäftigt waren, hatte sie
nicht allzuviel darüber nachgedacht. Doch Lettys gereizte Bemerkung kam
ungelegen: ihr völlig uninteressanter Zustand schien Nell jetzt von derselben
Art zu sein wie ihre übrigen Missetaten. Sie erwies sich eben in jeder
Beziehung als erbärmliche Frau: töricht, hinterlistig, verschwenderisch und
unfruchtbar!
    Glücklicherweise
– denn ihr tiefes Erröten hätte sie verraten – hatte Letty die letzte Nummer
des Ladies' Magazine ergriffen und überflog nun geringschätzig die
Seiten, machte abfällige Bemerkungen über die Modelle, die in dieser
kostspieligen Zeitschrift abgebildet waren, wodurch Nell Zeit gewann, ihre
Fassung wiederzuerlangen.
    «Du lieber
Himmel! Ich sah noch nie etwas derart Unelegantes! Schieferfarbener geköperter
Florentiner Taft mit weißen Blenden ... was würde man damit für eine Figur
machen?! Können dir etwa diese neuartigen Bischofsärmel gefallen? Mir gefallen
sie ganz und gar nicht – und hier dieses Abendkleid mit den französischen
Bändern um die Taille ...»
    «Mir gefiel
die Abbildung des Umhangs mit dem runden Cape», sagte Nell und versuchte in
ihren Ton den Anschein großen Interesses zu legen.
    «Ich für
meinen Teil finde ihn kaum leidlich. Wenn man nämlich nicht eine dieser langen
Hopfenstangen ist, sieht man in diesen Capes unweigerlich untersetzt aus. Noch
dazu, wenn es aus kastanienbraunem Merino ist! Entsetzlich düster!» Letty warf
das Ladies' Magazine beiseite und sagte nach einem Moment des Zögerns
mit studierter Sorglosigkeit: «Übrigens, Nell, ich muß für morgen absagen, ich
kann mit dir nicht ins Somerset House fahren. Selina erzählte mir, daß meine
Tante ganz trübsinnig ist, weil ich sie in letzter Zeit nicht besuchte. Sie
soll gesagt haben, sie hätte nie gedacht, daß ich ihr so wenig zugetan sein
könnte oder mir den Kopf derart verdrehen ließe, daß ich auf ihre Gesellschaft
keinen Wert mehr lege. Du weißt ja, wie sie ist: himmelhoch jauchzend und zu
Tode betrübt. Wenn du also keinen besonderen Wert darauf legst, dir morgen
Gemälde anzusehen – wahrscheinlich werden sie ohnedies sterbenslangweilig sein
–, glaube ich, sollte ich lieber zu meiner Tante gehen, um sie wieder zu
versöhnen.»
    Nell
stimmte dem zu, obwohl sie sich, wäre sie weniger mit ihren eigenen
Angelegenheiten beschäftigt gewesen, über Lettys plötzliche Besorgnis für Mrs.
Thornes Stimmungen gewundert hätte. Daß Mrs. Thorne über den Mangel an
gebührender Beachtung ihrer Person gekränkt sein
könnte, überraschte niemanden, der Letty kannte. Ohne im geringsten bösartig
veranlagt zu sein oder jemandem die gebührende Achtung versagen zu wollen,
hatte man sie nie gelehrt, die Gefühle anderer Menschen zu beachten oder an
etwas anderes als ihr eigenes Wohlbehagen zu denken. Da sie Nells Einwilligung
so leicht erlangt hatte, begab sie sich in ihr eigenes Schlafzimmer, um zum
drittenmal den aufregenden Brief durchzulesen, den sie von Mr. Allandale
erhalten.
    Nell
wartete an diesem Nachmittag wieder vergeblich auf Dysarts Erscheinen. Ihr
Bedienter brachte auf ihr Billett keine Antwort, da Seine Lordschaft
ausgegangen war. Nein, der Kammerdiener Seiner Lordschaft hatte nicht sagen
können, wann er ihn zurückerwarte.
    Seine
Lordschaft kehrte tatsächlich erst in sehr vorgerückter Stunde in seine Wohnung
zurück. Da er zum Dinner mit der erlesenen Gesellschaft seiner intimsten
Freunde bei Watier verabredet war, um nachher sein Glück in einem äußerst
exklusiven Spielclub zu versuchen, hieße es eher zuviel von ihm verlangen, das
beste Dinner in ganz London warten zu lassen, um am Grosvenor Square Besuch zu
machen. Eine für ihn günstig verlaufene Wette hatte das Glück in richtige
Gebelaune gebracht – wie er es ausdrückte – und ermutigte ihn zu glauben, die
lange Pechsträhne habe endlich ihr Ende gefunden. Mit ein wenig Bargeld in der
Tasche konnte niemand voraussagen, ob man am Schluß des Abends, wenn man vom
Spieltisch aufstand, nicht imstande wäre, jede beliebige Anzahl verdammter
Schneiderrechnungen zu bezahlen. Und das durch keine größere Anstrengung,

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