Georgette Heyer
Aufsicht
von Mr. Augustus Labourie, bot weiterhin das Beste, was in London zu erhalten
war; in der Spielbank befanden sich zehntausend Pfund; Mr. Brummell war
ständiger Präsident; und als Mitglied aufgenommen zu werden war der Ehrgeiz
jedes Anwärters auf gesellschaftliche Geltung. Das Spiel begann um neun Uhr und
wurde ohne Unterbrechung die ganze Nacht fortgesetzt. Es handelte sich hauptsächlich
um Hasardspiele und Macao, eine Abart von Einundzwanzig, welche französische
Emigranten aus Frankreich eingeführt hatten und das sich noch immer großer
Beliebtheit erfreute.
Nachdem der
Viscount dem Faro einen Abend gewidmet hatte, fand er nicht, daß diese Änderung
seiner Gewohnheiten sich so gut bewähre, wie er gehofft. Als er sich von einem
fröhlichen Dinner erhob, widerstand er noch allen Versuchen, ihn ins
Macaozimmer zu verlocken. Er erklärte, er wolle den Würfeln noch eine Chance
geben, denn er hatte das untrügliche Vorgefühl, Fortuna werde ihm schließlich
doch hold sein. Und so schien es in der Tat. Nachdem er zwanzig Pfund gesetzt,
würfelte er elf und machte damit einen Treffer, was für die nächtliche Sitzung
ein äußerst vielversprechender Anfang war. Selbst Mr. Fancot, welcher sich
monatelang bemüht hatte, Geld an ihn zu verlieren, und bereits zweifelte, ob er
diesen Ehrgeiz je werde befriedigen können, fühlte neue Hoffnung erwachen.
Da der
Prinzregent im Carlton House einen seiner Junggesellenabende gab, war der Club
nicht sehr gut besucht. Mr. Hethersett, der um Mitternacht hereingeschlendert
kam, fand das Macaozimmer bis auf eine einzige Herrengruppe, die für ihn
entweder alte lederne Patrone oder gezierte Prahlhälse waren, bereits verlassen.
Er warf einen Blick auf die dem Hasardspiel eifrig hingegebenen Mitglieder,
doch auch hier vermochten ihn die Anwesenden nicht zu interessieren. Er war
eben im Begriff, den Club wieder zu verlassen, als ihm plötzlich eine Idee kam.
Es war keine sehr willkommene Idee, man könnte auch nicht behaupten, daß es ihm
ein Vergnügen bereitete, sie in die Tat umzusetzen. Sie war aber noch das
Beste, was ihm im Laufe des Tages eingefallen war, den er hauptsächlich damit
verbracht hatte, sich mit den finanziellen Schwierigkeiten von Lady Cardross
zu befassen.
Je länger
er die ganze Sache überlegte, desto stärker wurde sein Unbehagen, denn auch
das zarte tendre, das er für Nell empfand, verleitete ihn nicht dazu,
allzusehr an ihr Versprechen zu glauben, sich weiterhin den Wucherern
fernzuhalten. Da sie es nicht wagte, Cardross ihre Schulden einzugestehen, sah
er sich gezwungen, als gerechter Mann zuzugeben, daß sich in der Tat keine
andre Lösung ergab, als Geld gegen Zinsen zu leihen. Seiner Meinung nach
übertrieb sie Cardross' zornige Reaktion in lächerlicher Weise. Es war zwar
unwahrscheinlich, daß er ihre Beichte mit großem Vergnügen anhören würde, er
war aber nicht nur ein in sie sehr verliebter Mann, sondern auch ein Mann mit
einer ungemein großzügigen Veranlagung und mit weit mehr als bloß gesundem
Hausverstand. Niemand würde mit ihrer Jugend und Unerfahrenheit so rasch
Nachsicht üben wie er. Obwohl kaum ein Zweifel bestehen konnte, daß er Nell
verboten hatte, ihrem Bruder Geld zu geben, zweifelte Mr. Hethersett noch
weniger, daß er das nötige Verständnis aufbringen und sogar mit den nur zu
natürlichen Gefühlen sympathisieren würde, welche sie dazu führten, ihm
ungehorsam zu sein. Er würde auch wissen, was zu tun sei, um dieser Sache ein
Ende zu bereiten; das war nämlich etwas, was unverzüglich geschehen mußte,
sollte Nell nicht schließlich doch in einem Meer von Schulden, Lug und Trug
versinken. Cardross würde ihr jetzt noch verzeihen, ohne daß sich seine Liebe
schmälerte, doch wenn er später entdecken müßte, daß sie, vielleicht jahrelang,
ein falsches Spiel getrieben hatte, würde seine eigene aufrichtige Gesinnung
einen völligen Umschwung seiner Gefühle bewirken.
Obwohl es
für seinen Cousin einen gewissen Vorteil hätte, durch fast jede Vermittlung in
den Besitz der Tatsachen zu gelangen, war Mr. Hethersett nach düsteren
Betrachtungen zu dem Schluß gekommen, daß es nur eine befriedigende Lösung
dieser Angelegenheit gäbe: Nell selbst müßte ihm diese Enthüllung machen. Doch
als er darauf drängte, schauderte sie vor diesem Vorschlag zurück und bat ihn
in heftiger Erregung, Cardross um Himmels willen nichts zu verraten. Damals
stieg der Verdacht in ihm auf, daß in dieser Ehe doch nicht alles so
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