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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lady April
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Natürlich hatte niemand,
außer übertrieben engherzigen Menschen, etwas dagegen einzuwenden, wenn ein
Mann im Laufe eines lustigen Abends etwas über den Durst trank; aber entweder
hatte Dysart eine ungewöhnlich schwächliche Veranlagung oder er gab seinem
Hang zum Trinken bis zu einem Punkt nach, der bereits
jenseits der erlaubten Grenzen lag. Was seine finanzielle Situation betraf,
war er zur Zeit, als seine Schwester heiratete, ungeheuer verschuldet gewesen.
Er hatte, seitdem ihn Cardross großzügig von seinen drückendsten Schulden
befreite, sichtlich genügend Zeit gehabt, neuerdings in Geldverlegenheiten zu
geraten. Es wäre charakteristisch für ihn, überlegte Mr. Hethersett, sich an
seine Schwester um Hilfe zu wenden, und lächerlich anzunehmen, daß sie es übers
Herz brächte, es ihm zu verweigern. Er verargte ihr das keineswegs, war aber
der festen Überzeugung, daß man einer derartigen Freigebigkeit Einhalt gebieten
müsse, ehe es so weit kam, daß sie sich, ebenso wie Dysart, in schwere Schulden
stürzte. Die verschwommene Erinnerung an eine schreckliche Schuldenlast, mit
welcher Devonshires Mutter gestorben war, schoß ihm blitzschnell durch den
Kopf. Man hatte sich damals astronomische Zahlen zugeflüstert; wahrscheinlich
falsche, denn niemand kannte die wahre Ziffer, es mußte aber eine ungeheure Summe
gewesen sein. Man erzählte sich, sie hätte beim Spiel ein Vermögen verloren.
Muß schon ein merkwürdiger Bursche gewesen sein, dieser alte Herzog, dachte
Mr. Hethersett. In Cardross' Haus würden die Dinge natürlich nie derartig
unheilvolle Dimensionen annehmen, sie könnten aber doch ziemlich bedenklich
werden, ehe er merkte, was sich abspielte. Er war zwar reich genug, um auch dem
standhalten zu können, doch Mr. Hethersett machte sich eine ziemlich richtige
Vorstellung seiner Gefühle, wenn ihm Nell eine so schwere Enttäuschung
bereitete. Irgend jemand, meinte er, sollte ihm jetzt, während er noch so sehr
in Nell verliebt war, daß es ihm leichtfiele, ihre Torheit zu entschuldigen,
einen Wink geben, ehe ein ernsthafter Schaden angerichtet wurde. Er bedauerte
einen Moment, Nell versprochen zu haben, Cardross nichts zu verraten; doch
sowie er nur mit dem Gedanken spielte, seinem Cousin eine derartige Enthüllung
zu machen, schreckte seine Phantasie davor zurück. Er hätte es unter keinen
Umständen tun können. Die geeignetste Person, hier einzugreifen, war zweifellos
Lady Pevensey. Wäre sie in London gewesen, dachte Mr. Hethersett, so wäre es
ihm vielleicht gelungen, ihr in dieser unheilvollen Angelegenheit einen Wink zu
geben. Doch sie war meilenweit entfernt, an einen gelähmten Gatten gefesselt,
und schließlich konnte man nie sagen, ob sie die Angelegenheit in dem Lichte
betrachten würde, in dem sie sie sehen sollte. Mr. Hethersett hatte nie
feststellen können, ob sie mehr Verstand besaß als eine Gans. Außerdem hing sie
mit so zärtlicher Liebe an Dysart, daß sie möglicherweise seine Interessen für
weit wichtiger halten könnte als die Nells.
    Die gewollt
fröhliche, aber entschieden nervöse Stimme Nells unterbrach diese
Überlegungen. «Sie sind recht schweigsam», sagte sie.
    «Verzeihen
Sie», erwiderte er, «ich habe nachgedacht.»
    «Über ...
über diese Sache?» fragte sie besorgt.
    «Nein»,
sagte er schamlos. «Dachte, wir sollten einen Blick zu Gun ter hineinwerfen.
Dachte, Sie würden vielleicht gern ein Eis zu sich nehmen. Wäre jetzt genau
das Richtige!»
    Sie dankte
ihm, lehnte diesen Genuß jedoch ab. Sie hätte auch die Sänfte abgelehnt, die
sie nach Hause bringen sollte, doch in diesem Punkt blieb Mr. Hethersett
unbeugsam, da er genau wußte, was ihrem Rang gebührte. In seiner Begleitung
durch die Straßen Londons zu spazieren, wäre für eine Lady Cardross unmöglich.
Ohne sie vorher um ihre Zustimmung zu bitten, winkte er zwei Sänftenträger
heran, hob sie in den Sitz und vollendete seine Ritterlichkeit dadurch, daß er,
während er eine alltägliche Konversation mit ihr führte, bis zum Grosvenor
Square an ihrer Seite schritt. Er wollte damit andeuten, daß er die ganze
Episode in der Clarges Street aus seinem Gedächtnis gestrichen habe.

6
    Aus den Gefahren der Clarges Street
errettet und dem Schutz ihres eigenen Heims wiedergegeben, wußte Nell kaum, ob
sie Mr. Hethersett dafür dankbar sein oder ihm grollen sollte, daß er ihre
Pläne durchkreuzt hatte. Als der Moment gekommen war, den Messingklopfer an
Mr. Kings Tür in Bewegung zu setzen,

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