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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lady April
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stimme,
wie es nach außen den Anschein erweckte. Während er dies überlegte, fiel ihm
ein, daß man das Paar nicht so häufig gemeinsam sah, wie man hätte erwarten
können. Es gehörte natürlich nicht zum guten Ton, einen Mann ständig mit seiner
eigenen Frau zu sehen. Doch der Zynismus, mit welchem die höchsten Stände der vorigen
Generation die Ehe als ein Mittel zum Vorwärtskommen oder lediglich als
Konvenienz betrachteten, geriet langsam außer Mode. Unter den Zeitgenossen
seines Vaters war Mr. Hethersett mehr als ein Mann bekannt, der nicht sicher
anzugeben vermochte, wie viele seiner Sprößlinge tatsächlich von ihm selbst gezeugt
worden waren, während man die Schar jener Paare der ersten Gesellschaft in
mittleren Jahren, welche freiwillig nie mehr als eine halbe Stunde täglich
miteinander verbrachten, nicht mehr zählen konnte. Doch all das kam jetzt aus
der Mode. Liebesheiraten unter Standespersonen wurden beifällig aufgenommen und
öffentliche Beweise der Zuneigung wurden, anstatt für unerträglich bourgeois gehalten zu werden, sogar mit wohlwollenden Augen betrachtet. Mr.
Hethersett, dessen schwer zu befriedigendes Gefühl für Korrektheit in letzter
Zeit durch den Anblick eines jungverheirateten Paares aufs äußerste beleidigt
worden war, das bei einer Abendgesellschaft, Seite an Seite auf einem engen
Sofa sitzend, die Köpfe zusammensteckte, neigte dazu anzunehmen, daß das
Pendel zu weit nach der andern Seite ausschwinge, und erwartete ganz gewiß
nicht, von Cardross einen solchen Mangel an guter Erziehung erleben zu müssen.
Gleichzeitig wunderte er sich gelegentlich, daß Nell, an einen Mann
verheiratet, der sie nicht nur aus Liebe unter einem Dutzend weit
angemessenerer junger Damen erkoren hatte, sondern auch über einen Charme
verfügte, der auf die Damen im allgemeinen faszinierend wirkte, in der
Öffentlichkeit so häufig entweder unbegleitet oder mit einem völlig
unbedeutenden Bewunderer an ihrer Seite erschien. Natürlich konnte man daran
keinen Anstoß nehmen; und niemals war in ihrem Betragen den Bewunderern
gegenüber etwas zu finden, um dem hartnäckigsten Schnüffler nach einem Ehebruch
Grund für die Verdächtigung zu geben, daß sie eine strafbare Neigung gefaßt
haben könnte. Mr. Hethersett war ziemlich überzeugt, daß sie für keinen anderen
Mann als Cardross Interesse hatte: er hatte ihre Augen aufleuchten gesehen,
wenn sein Cousin unerwartet ein Zimmer betrat, in dem sie sich befand. Nein,
wenn irgend etwas mit dieser Ehe nicht stimmte, konnte dies keinem Mangel an
Zuneigung entsprungen sein. Er erinnerte sich, gehört zu haben, daß es im
ersten Jahr bei Liebesehen, weit öfter als bei Konvenienzehen, Streit und
Mißverständnisse gab, und er kam zu dem Schluß, daß so viel tiefgründiges
Nachdenken ihn dazu verleite, zuviel über das Betragen des Paares in der
Öffentlichkeit nachzugrübeln. Mr. Hethersett wußte ganz genau, wie fürchterlich
sein Cousin sein konnte, wenn es Meinungsverschiedenheiten gab und er erzürnt
wurde, und so vermochte er das Widerstreben seiner so jungen Frau, ihm ihre
Sünden einzubekennen, recht gut zu verstehen. Er dachte, es sei zwecklos, sie
dazu überreden zu wollen. Doch als er zu diesem Schluß gekommen war, stockte
er, denn es gab niemanden außer ihm selbst, der Cardross von der Klemme
Mitteilung machen konnte, in der sich Nell befand, ohne ihn furchtbar
aufzuregen.
    Als er eben
im Begriff war, das Hasardzimmer zu verlassen, sah Dysart, der mit dem Rollen
der Würfel zu intensiv beschäftigt gewesen war, um sein Eintreten zu bemerken,
zufällig auf und erkannte ihn. Er rief ihm einen heiteren Gruß zu, und im
selben Augenblick kam Mr. Hethersett eine neue Idee. Wenn er Dysart zu
überreden vermochte, es zu tun, war er die einzige Person, welche Cardross,
vielleicht sogar mit einem Vorteil für sich selbst, die volle Wahrheit sagen
konnte. Mr.
    Hethersett
zweifelte nicht im entferntesten, daß Nell die Schulden seinethalben
eingegangen war, und nur in sehr geringem Maß, daß eine offen
abgelegte Beichte der ganzen Affäre für Nell nicht völlige Absolution
bedeuten würde. Aller Wahrscheinlichkeit nach könnte Dysart selbst dabei auch
noch auf eine finanzielle Unterstützung hoffen. Es wäre für
ihn ganz leicht, Cardross davon zu überzeugen, daß Nell nur seinen dringenden
Bitten nachgegeben hatte; und Cardross wäre der erste, den Mut anzuerkennen
und zu würdigen, mit dem er eine so unangenehme Pflicht auf sich genommen.

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