Georgette Heyer
«Habe Ihnen etwas zu sagen», erwiderte er
kurz.
«Sie haben
doch nicht etwa einen Tip für das Chester-Rennen, wie?» fragte Dysart
hoffnungsvoll.
«Nein.
Nichts dergleichen.» Mr. Hethersett nahm einen stärkenden Schluck von seinem
Brandy. «Dumme Sache das. Hat mich den ganzen Tag gequält.»
«Das klingt
ja wie eine verdammt bedenkliche Sache», sagte Dysart und sah ihn verwundert
an.
«Nein, das
ist es nicht. Allerdings muß ich gestehen, daß ich es Ihnen lieber nicht
mitteilen möchte», sagte Mr. Hethersett, welcher fand, daß seine freiwillig
übernommene Aufgabe doch schwerer zu bewältigen war, als er vorausgesehen.
«Du lieber
Gott, Sie wollen mir doch nicht sagen, daß man Sie beauftragte, mir
mitzuteilen, daß mein Vater gestorben ist?» rief Dysart und setzte sich mit
einem Ruck auf.
«Nein,
natürlich nicht», erwiderte Mr. Hethersett gereizt. «Halten Sie es für
wahrscheinlich, daß man mich damit beauftragen würde, Ihnen eine derartige
Nachricht zu überbringen?»
«Nein. Was
ich aber nicht verstehe, ist das: Sie sind auch nicht der Mann, um mich um halb
fünf Uhr morgens in Ihre Wohnung einzuladen», erwiderte Dysart. «Es hat keinen
Sinn, mir weismachen zu wollen, Sie hätten plötzlich Ihre Sehnsucht nach meiner
Gesellschaft entdeckt, denn ich weiß verdammt genau, daß es nicht der Fall
ist.»
«Habe nie
etwas Derartiges gesagt. Habe übrigens nichts gegen Ihre Gesellschaft
einzuwenden. Aber darum handelt sich's nicht. Die Sache ist die, es dreht sich
um eine verteufelt delikate Angelegenheit.»
«Nun, zum
Teufel, ich kann nicht erraten, was es sein könnte. Es besteht aber kein
Grund, wie die Katze um den heißen Brei zu schleichen», sagte Dysart
ermutigend. «Es wäre mir wirklich lieber, Sie würden den Knoten gleich
durchhauen: ich halte schon einen Puff aus.»
Mr.
Hethersett stürzte den Rest seines Brandy hinunter. «Betrifft Ihre Schwester»,
sagte er.
Der
Viscount starrte ihn an. «Betrifft meine Schwester?» wiederholte er. «Was zum
Teufel ...»
«Dachte mir
gleich, es wird Ihnen nicht gefallen», sagte Mr. Hethersett mit etwas morbider
Befriedigung über die Richtigkeit seines Vorgefühls. «Gefiel mir selbst nicht.
Kennen Sie George Burnley?»
«Was!?»
donnerte der Viscount und stellte sein Glas mit solcher Wucht nieder, daß es
beinahe zerbrach.
Mr.
Hethersett zuckte zusammen und sagte protestierend:
«Kein
Grund, Sie – Was hat diese rothaarige Schießbudenfigur mit meiner Schwester zu
schaffen?» fragte der Viscount mit einem gefährlichen Glanz in den Augen.
«Hat gar
nichts mit ihr zu schaffen», erwiderte Mr. Hethersett leicht überrascht.
«Außerdem ist er keine Schießbudenfigur, wenn ich auch nicht behaupten will,
daß er nicht rothaarig ist. Freund von mir. Verwünscht, wenn ich wüßte, warum
Sie sich so aufregen, wenn man Sie bloß fragt, ob Sie ihn kennen.»
«Sie
sagten, es handle sich um meine Schwester Cardross.»
«Sagte
nichts dergleichen. Wenigstens nicht über den armen George. Und wären Sie nicht
der größte Idiot Londons, dann wüßten Sie, daß ich nie ein Wort darüber hätte
verlauten lassen, wenn er etwas mit ihr zu schaffen hätte.»
«Nun gut.
Was hat Burnley damit zu tun?» fragte der Viscount, zwar besänftigt, aber doch
noch immer recht ungeduldig.
«Habe heute
vormittag zu ihm hineingeschaut. Er wohnt in der Clarges Street.»
«Ja, das
weiß ich. Aber wenn das alles ist, was Sie mir sagen wollen ...»
«Sein Haus
liegt vis-à-vis von dem des Juden King», sagte Mr. Hethersett
und betrachtete seine elegante Schnupftabaksdose mit verzückter
Aufmerksamkeit.
Eine
plötzliche unheimliche Stille trat ein. «Weiter!» sagte Dysart grimmig.
Mr.
Hethersett sah ihn an. «Nun, das ist es eben», sagte er entschuldigend. «Sah
Lady Cardross. Erkannte ihr Hütchen. War dicht verschleiert – keine Sorge,
George könnte sie erkannt haben.»
«Wollen Sie
damit sagen, daß sie das Haus des Juden King betrat?»
«Nein.
Wollte es. Doch ich hielt sie zurück.»
«Dann bin
ich Ihnen zu großem Dank verpflichtet. Dumme kleine Gans», sagte Dysart wütend.
«Kein
Grund, mir dankbar zu sein. Empfinde tiefe Verehrung für sie. Bin außerdem mit
Cardross verwandt. Mußte sie daher daran hindern. Schien völlig verstört. War
sehr besorgt, ich könnte Cardross etwas verraten. Nun, ist nur
selbstverständlich, daß ich es nicht tue.»
«Ach, du
lieber Gott! Was sagte sie Ihnen?»
«Sagte nur,
sie brauche eine kurzfristige Anleihe. Ist
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