Georgette Heyer
Wortwechsel entspann, in dessen Verlauf verschiedene persönliche
Angriffe wenig schmeichelhafter Natur gewechselt wurden. Der Viscount ging aus
diesem Zweikampf als Sieger hervor, denn er machte sich auf recht unschöne Art
sein höheres Alter zunutze und belehrte Letty mit dem Gehaben eines
Sechzigjährigen, daß Frechheit für einjunges Ding ihres Alters weder schicklich
noch einnehmend sei. Außerstande, etwas zu erwidern, das vernichtend genug
war, stürzte Letty aus dem Salon und schmetterte die Tür mit lautem Krach
hinter sich zu.
«Wie kannst
du nur, Dy?» rief Nell vorwurfsvoll. «Ich habe noch nie etwas so Unhöfliches gehört!
Und wenn wir schon über Unschicklichkeit sprechen, so weißt du ganz genau, daß
es für dich höchst unschicklich ist, Letty eine Strafpredigt zu halten. Du bist
nicht ihr Bruder.»
«Nein, und
dafür danke ich Gott!» entgegnete er. «Wenn sie sich nicht sehr in acht nimmt,
wird sie sich zu einer dieser abscheulichen, ewig krachschlagenden Frauen
auswachsen, die so unausstehlich sind.»
«Aber, Dy, warum bist du so grundlos
schlecht aufgelegt?»
«Das werde
ich dir sagen», erklärte er in drohendem Ton. «Und spiele ja nicht die
Unschuldige, mein Mädchen, weil du mich weder täuschen noch gefügig machen
kannst, indem du mich schmachtend ansiehst. Du hast ein abscheuliches Spiel
getrieben, und das weißt du ganz genau. Was zum Teufel hast du dir gedacht, als
du zu dem Juden King gingst, nachdem ich dir ausdrücklich verboten hatte, etwas
mit einem Wucherer zu schaffen zu haben?!»
Sie sah ihn
schuldbewußt an, fragte aber hitzig: «Hast du das von Felix erfahren? Ich hätte
nie geglaubt, daß er so gemein an mir handeln könnte.»
Der
Viscount war zwar wütend auf Mr. Hethersett, dennoch belehrte er seine
irregeleitete Schwester in wenigen kernigen Worten, daß sie sich ihm gegenüber
zu größtem Dank verpflichtet fühlen müsse. Dann entwarf er ihr ein Bild von dem
furchtbaren Geschick, das jeden ereilte, der so wahnsinnig war, sich in die
Klauen eines Wucherers zu begeben; er stellte in ungemein erbaulicher Weise
moralische Betrachtungen über die Sünde des Leichtsinns an und verlangte von
Nell das feierliche Versprechen, nie mehr zu versuchen, den Juden King oder
einen andern Geldverleiher aufzusuchen. «Und wenn du glaubst, daß es etwa
komisch ist, wenn man zusehen muß, wie sich jemand mutwillig ins Verderben
stürzt», fügte er zornig hinzu, «dann laß dir gesagt sein, daß du die Sache
gründlich mißverstehst.»
«O nein,
wirklich nicht», sagte Nell und versuchte ernst zu bleiben. «Es ... es war nur,
Dy ... ich k-konnte m-mir nicht helfen, ich mußte lachen, weil du so über
Unbesonnenheit und Sorglosigkeit sprichst und ... und alle übrigen
Eigenschaften, die du selbst hast.» Sie erkannte alsbald, daß diese Bemerkung
alles eher denn eine beruhigende Wirkung hatte, und sagte reumütig: «Ich werde
es nie wieder tun. Ich weiß genau, es wäre sehr schlecht, wenn ich mir ständig
Geld ausleihen würde, aber das war nie meine Absicht. Ich hätte das Geld wahr
und wahrhaftig am Vierteljahrstag zurückgezahlt.»
«Das glaube
ich. Und ehe du dich vorgesehen hättest, wärest du neuerdings in einer Klemme
gewesen. Als ob ich das nicht kennen würde», entgegnete der Viscount
mitfühlend. «Aber warum zum Teufel du dich einmischen mußtest, wenn du genau
wußtest, daß ich die Sache in die Hand genommen habe, weiß Gott allein.»
«Ich
dachte, es wäre vielleicht besser, wenn ich die Angelegenheit selbst in Ordnung
brächte», sagte Nell aufrichtig. «Im Falle du etwas Schreckliches anstellen
wolltest.»
«Ach?! So
steht es also? Das ist denn doch etwas zu stark, Nell! Was zum Teufel sollte
ich denn anstellen, he?»
«Nun, um
die Wahrheit zu gestehen», gestand sie, «ich hatte Angst, du könntest jemanden
überfallen.»
«Du hattest
Angst, ich könnte jemanden überfallen?» wiederholte Dysart entsetzt. «Bei
meiner Seele! Eine nette Vorstellung machst du dir von mir, bei Gott, das muß
ich sagen!»
«Du hast
doch auch mich überfallen», meinte Nell. «Und wenn ich dich nicht erkannt
hätte, hättest du mich doch bestimmt ausgeraubt – das weißt du ganz genau!»
«Ob das dem
Faß nicht den Boden ausschlägt», stieß Dysart hervor. «Und ich hatte nichts
anderes im Sinn, als deinen verdammten Schmuck für dich zu verkaufen. Wenn du
meinst, ich wollte auch nur einen Penny von dem Geld für mich behalten, dann
bist du gewaltig auf dem Holzweg, mein
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