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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lady April
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Cardross nach kurzem Anklopfen das Zimmer betrat. Bei Lettys
Anblick, die ermattet auf dem Sofa lag, blieb er auf der Türschwelle stehen und
sagte in höhnischem Ton: «Welch herzzerreißender Anblick!»
    «Ach,
Giles, bitte sei still», bat Nell.
    Doch das
kummergebeugte Jungfräulein sprang wütend vom Sofa auf und drohte mit einer vor
Abscheu heiseren Stimme, sofort in Krämpfe zu verfallen, falls Cardross das
Zimmer nicht augenblicklich verlasse. «Nur los», erwiderte Cardross, «wenn du
Sehnsucht nach einer Tracht Prügel hast», und man merkte ihm an, welche
Befriedigung es ihm gewähren würde, seine Drohung auszuführen. «Ist das jedoch
nicht der Fall, dann
unterlasse es, weiterhin Cheltenham-Tragödien zu mimen, und begib dich in dein
eigenes Zimmer.»
    «Glaubst du
im Ernst», rief Letty wütend, «du könntest mich auf mein Zimmer schicken, als
wäre ich noch ein kleines Kind?»
    «Ja. Und
wenn du meinem Befehl nicht unverzüglich gehorchst, werde ich dich
hinauftragen», entgegnete er und öffnete die Tür. «Hinaus mit dir!»
    «Um Himmels
willen», rief Nell in der lebhaftesten Besorgnis, Letty könnte einen hysterischen
Anfall erleiden. «Bitte geh und überlasse sie mir. Das ist mein Zimmer, und du
hast wirklich kein Recht, Letty hier hinauszuweisen.»
    «Du hast
eine recht merkwürdige Vorstellung von meinen Rechten», sagte er grimmig. «Ich
zweifle zwar keinen Augenblick, daß sie dir in deinen Räumen willkommener ist,
als ich es bin, zumindest mußt du aber zugeben, daß ich das Recht habe, mit dir
allein zu sprechen, wenn ich es wünsche.»
    Sie wurde
totenblaß, erwiderte jedoch ruhig: «Ganz gewiß. Wenn du mich tatsächlich unter
vier Augen sprechen willst, könnten wir nicht in mein Ankleidezimmer gehen?»
    «Gib dir
nicht soviel Mühe», rief Letty, zitternd vor Wut. «Mein Liebling, ich möchte
dich um alles in der Welt nicht derselben grausamen Behandlung aussetzen, die ich
erdulden muß. Um dir dies zu ersparen, werde ich gehen.»
    Diese
wahrhaft hochherzige Rede ließ den drohenden Ausdruck von Cardross' Antlitz
verschwinden; plötzlich brach er in Lachen aus. Das war eine so unvermutete
Reaktion, daß sie Letty nur noch mehr erbitterte, Nell jedoch ungemein
erleichterte. Letty, die nur einen Moment innehielt, um ihrem Bruder
mitzuteilen, daß seine Manieren ebenso widerwärtig seien wie seine Veranlagung
bösartig, stürzte aus dem Zimmer und wurde durch seinen Rat, zur Abkühlung eine
kalte Dusche zu nehmen, zu noch größerer Eile getrieben. Cardross schloß die
Tür und sagte: «Kleine Xanthippe! Mir kann der arme Allandale nur leid tun,
wenn er sie tatsächlich einmal heiratet.»
    «Sie ist
wegen der Nachricht, daß er England so bald verläßt, so erregt», erwiderte
Nell entschuldigend. «Man muß sie schon sehr bedauern, und ich für meinen
Teil... aber ich möchte dich nicht auch noch damit quälen.»
    «Dem Himmel
sei Dank! Ich kann dir nämlich versichern, daß ich bereits soviel davon hatte,
als ich an einem Tag ertragen kann. Und noch dazu beim Frühstück!»
    «Ich gebe
zu, es war sehr dumm von ihr, diesen Zeitpunkt zu wählen», sagte Nell.
    «Sehr dumm.
Sie hätte mich aber auch zu jeder andern Stunde nicht nachgiebiger gefunden.»
Da sie seufzte, fügte er hinzu: «Ja, ich habe bemerkt, welche Gefühle du hegst,
aber ich kam nicht zu dir, um über diese beklagenswerte Affäre zu streiten. Ich
kam, um mit dir den klügsten Weg zu besprechen, den wir jetzt einschlagen
könnten. Einer Sache können wir nämlich sicher sein: keiner von uns wird in
Frieden leben können, bis dieser bedauernswerte junge Mann außer Landes ist.
Ich zweifle nicht, daß mir endlose Wiederholungen der heutigen Szene bevorstehen;
und du wirst vermutlich gezwungen sein, die ermüdende Rolle einer Vertrauten zu
übernehmen. Nun, ich sehe nicht ein, weshalb du Lettys Launen ausgesetzt werden
solltest. Sag mir daher offen und ehrlich, ob es dir nicht lieber wäre, wenn
ich sie nach Bath schicke.»
    «Aber
keinesfalls», erwiderte sie rasch. «Du hast doch bestimmt nur gescherzt, als du
es ihr androhtest.»
    «Ja. Aber
damals wußte ich noch nicht, daß Allandale England so bald verläßt.»
    «Nein,
nein, schlag dir das nur aus dem Kopf. Es wäre entsetzlich lieblos, sie von
London fortzuschicken, wenn ihr vor Allandales Abreise nur noch so wenig Zeit
bleibt. Außerdem bin ich überzeugt, daß sie durchbrennen würde ... vielleicht
zu Mrs. Thorne, und das wäre dir bestimmt nicht recht. Bedenke

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