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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lady April
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Widerstreben, dies zu tun, nicht
überrascht, denn der Aussicht, sich einen Zahn ziehen zu lassen, hätte sie selbst
auch nicht mit Gleichmut entgegengesehen. Doch als Letty sich schließlich doch
bereit erklärte, den Zahnarzt aufsuchen zu wollen, und meinte, Martha könne
sie begleiten, damit ihre Schwägerin ihren Pflichtbesuch in der North Audley
Street nicht verschieben müsse, stieg Nell der Verdacht auf, ob die
Zahnschmerzen nicht in einem gewissen Zusammenhang mit dem projektierten Besuch
stünden. Die verstorbene Lady Cardross war mit den Schwestern Berry eng
befreundet gewesen, doch bei ihrer Tochter – undankbar gegen das gütige
Interesse, welches sie an ihr nahmen – konnte man sicher sein, daß sie
ingeniöse Entschuldigungen finden würde, um sich dieser Pflicht zu entziehen.
Sie erklärte, Miss Berry sei lächerlich und Miss Agnes böse, und nichts öde sie
mehr an, als gezwungen zu sein, nach Little Strawberry zu fahren, um dort
einen ganzen Tag mit ihnen zu verbringen. Sie hatte sich so merklich
aufgeheitert, als Miss Berry gelegentlich ihres letzten Besuchs bei den Damen
Merion ihnen mit einem Seufzer anvertraute, daß sie sich gezwungen sehe, für
Little Strawberry einen Mieter zu suchen, daß Nell sich ihrer tatsächlich
schämte und ihr später wegen ihrer Herzlosigkeit und Unhöflichkeit einen
strengen Verweis erteilte. Sie betrachtete die verwöhnte kleine Schönheit jetzt
mit prüfenden Blicken und erklärte, sie selbst werde sie zu Mr. Tilton
begleiten. Wäre sie weniger bedrückt gewesen, so hätte sie über den
racheglühenden Blick lachen müssen, den ihr Letty durch ihre langen Wimpern
zuwarf.
    Nachdem man
Letty angstbebend in Mr. Tiltons unheildrohenden Stuhl gehoben hatte, vermochte
der würdige Arzt glücklicherweise keine schadhafte Stelle an ihren Zähnen zu
finden. Seiner Meinung nach waren die Schmerzen, welche sie so tapfer ertrug,
lediglich nervöser Überreizung zuzuschreiben. Er empfahl Bettruhe und zur
Beruhigung einige Tropfen Laudanum: eine Verordnung, welche Nell ihre unwillige
Schwägerin unerbittlich durchzuführen zwang, mit dem Erfolg, daß Letty um vier
Uhr erklärte, vollkommen geheilt zu sein, und sich erhob, um sich für die
Abendgesellschaft ankleiden zu lassen. Sie war zwar nicht in geradezu
strahlender Laune, doch zu Nells freudiger Überraschung und größter
Erleichterung machte sie nach dem bitteren Ausbruch des vergangenen Abends
keine weiteren Anspielungen auf Cardross' Grausamkeit. Sie schien sich darüber
klargeworden zu sein, daß sie ihn diesmal nicht zu überreden vermochte; und
während ihre herabgezogenen Mund winkel und der düstere Blick zwar ein länger
anhaltendes mürrisches Wesen verhießen, konnte sich Nell des Gedankens nicht
erwehren, daß dies besser zu ertragen sei als die ermüdenden und völlig
fruchtlosen Diskussionen, zu welchen sie in letzter Zeit gezwungen worden war.
    Dysart
erschien nicht, doch da der pensionierte Kammerdiener, in dessen Haus er
wohnte, vermutete, er sei weggefahren, um einem Boxkampf beizuwohnen, war das
weiter nicht verwunderlich. Nell konnte nur hoffen, daß er Zeit finden werde,
ihren Brief schriftlich zu beantworten, denn er würde sie am folgenden Tag,
wenn er persönlich am Grosvenor Square erschiene, nicht zu Hause antreffen, da
sie Letty zu einer Gardenparty nach Osterley begleiten mußte.
    Am
folgenden Morgen wurde kein Brief von Dysart abgegeben. Hätte es sich um eine
andre Gastgeberin als Lady Jersey gehandelt, die vor den Kopf zu stoßen sehr
gefährlich war, hätte Nell große Lust gehabt, in letzter Minute abzusagen. Doch
das war unmöglich, ohne schweren Anstoß zu erregen, denn Lady Jersey hatte zu
den Gästen der Loo-Partie gehört und würde die Ausrede einer plötzlichen
Indisposition bestimmt nicht glauben.
    «O nein»,
stimmte Letty bei. «Es wäre überaus ungezogen, wenn du nicht hingingest. Ich
allerdings muß bestimmt nicht gehen, und ich habe auch nicht die geringste Lust
dazu. Außerdem werde ich von meinen abscheulichen Schmerzen gequält. Ich werde
daher zu Hause bleiben und mir einen Schal um den Kopf wickeln.»
    «Mit Paleys
Predigten in der Hand, was?» rief Nell. «Schäm dich, Letty! Du hast ebensowenig
Schmerzen wie ich.»
    «Selbst
wenn ich keine hätte, möchte ich in meiner tiefen Betrübnis nicht gezwungen
sein, zu einer Party zu gehen», sagte Letty errötend. «Es würde Cardross
bestimmt passen, sagen zu können, es sei klar, daß er nicht alles dazu getan
habe, mir das

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