Georgette Heyer
hatte,
daß sie sich mit Lady Letitia zu einem Fest begeben, war er zuerst wie vom
Donner gerüht, doch dann rief er wütend: «Nach Osterley gefahren? Hölle und
Teufel! Verdammt noch einmal! Hinterließ Mylady eine Nachricht für mich?»
Nein, sagte
der Türsteher entschuldigend, er glaube nicht, daß Ihre Gnaden eine Nachricht
hinterlassen habe, außer vielleicht bei Farley.
Der
Viscount richtete jetzt seinen zornfunkelnden Blick fragend auf Farley, welcher
aus den unteren Regionen emporgetaucht war, und sich nun vor ihm mit
würdevoller Höflichkeit verbeugte. «Sagte Mylady, wann sie zurückkehren würde?»
fragte er.
«Nein,
Mylord – lediglich, daß sie nicht beabsichtige, spät wiederzukehren. Ich weiß
nur, daß es sich um eine Gardenparty handelt: zweifellos eine Art Picknick.»
«Nein, wenn
das nicht alles übersteigt!» rief der Viscount unwillkürlich voll Abscheu.
«Ich
glaube, Seine Lordschaft sind noch nicht ausgegangen, Mylord, wenn Sie ihn zu
sprechen wünschen? Mr. Kent ist zwar bei ihm, doch ...»
«Nein,
nein, ich möchte ihn nicht stören, wenn er mit seinem Verwalter konferiert»,
unterbrach ihn Dysart mit Aplomb. «Es ist überhaupt unnötig, ihn von meinem
Besuch zu unterrichten. Kam nur, um Ihre Gnaden in privater Angelegenheit zu
besuchen.»
«Sehr wohl,
Mylord», sagte Farley und empfing in der bewunderungswürdigen Haltung eines
Menschen, der überhaupt nichts bemerkt, ein schönes douceur, das ihm der
Viscount in die Hand drückte.
«Ich gehe
jetzt in das Ankleidezimmer von Ihrer Gnaden hinauf, um ihr ein Billett zu
schreiben», sagte Dysart. «Und geben Sie mir lieber wieder meinen Hut zurück.
Ich möchte nicht, daß ihn Seine Lordschaft sieht.»
Der
Türsteher erbot sich, den Hut vor den Augen seines Herrn zu verbergen, worauf
Dysart ihn ohne jede Verlegenheit ermahnte, ihn auch wirklich ordentlich zu
verstecken, und, jede Begleitung ablebend, die breite Treppe hinanstieg.
«Ein
Frechdachs, das kann man wohl sagen», bemerkte der Türsteher und stellte
den Hut unter seinen mächtigen Lehnstuhl. «Immer zu einem tollen Streich
aufgelegt! Hat wieder 'ne neue Büberei vor, nach seinen Augen zu schließen. Na
schön, er gehört wenigstens nicht zu der steifen Sorte, und das ist auch schon
was! Und 's ist ihm auch ganz schnuppe, ob er wieder mal bankrott ist: man wird
ihn nie dabei erwischen, einem Kerl deshalb kein Trinkgeld zu geben, oder zu
vergessen, etwas von seinem Spielgewinn auszuspucken. 's gibt viele, die mir
nicht mehr als 'nen Shilling geben würden, wenn ich ihnen den Hut verstecke.
Aber paß mal auf, ob er mir diesmal kein Fünfshillingstück reicht! Was hat er
denn dir in die Pfote gesteckt, Farley?»
Doch
Farley, angewidert von so vulgärer Neugierde, sah ihn nur vernichtend an, bevor
er sich in sein eigenes Quartier zurückzog.
Zwanzig
Minuten später eilte der Viscount leichtfüßig die Treppe herab, hielt aber
einen Moment auf dem Treppenabsatz inne, um sich zu vergewissern, daß die Luft
auch rein sei. Ermutigt durch das Nicken und Winken des Türstehers, lief er die
letzte halbe Treppenflucht hinunter und übergab ihm ein versiegeltes Billett.
«Geben Sie das Ihrer Gnaden, George.»
«Sehr wohl,
Mylord. Danke, Mylord», sagte der Türsteher, als dem Billett ein großes blankes
Geldstück folgte.
«Und wenn
Sie einen sicheren Tip für das morgige King's-Plate-Rennen in Chester wollen»,
fügte der Viscount hinzu, während er seinen hohen Biberhut aufsetzte und seine
Handschuhe überstreifte, «setzen Sie Ihr Geld auf Kakerlak!»
Der
Türsteher dankte ihm nochmals, doch diesmal mit weit weniger Enthusiasmus.
Lebhaft für den Turf interessiert, erfaßte er sofort, daß Seine Lordschaft
lange Odds wettete, und konnte eine solche Unklugheit nur bedauern: wenn das
sein neues Wettsystem war, dann würden die schweren Silbermünzen auf traurige
Art dahinschwinden, die ihm so freigebig aus der Hand glitten.
Einige
Stunden später entzifferte Nell in der Geborgenheit ihres Schlafzimmers
begierig sein Gekritzel. Kaum hatte sie sich mit dessen Inhalt vertraut
gemacht, als sie das Schreiben nochmals langsamer und mit gefurchten
Augenbrauen durchlas, unfähig zu entscheiden, ob sie durch die Nachricht
beruhigt oder geänstigt sein solle.
«Was zum
Teufel», schrieb Dysart ohne Einleitung, «hat es für einen Sinn, ein großes
Geschrei zu erheben, ich solle Dich aufsuchen, wenn Du gleich darauf einen
Ausflug zu einem Picknick machst? Ich kann auf Dich nicht so lange
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