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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junggesellentage
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erschreckt gewesen, hätte er geahnt, daß Waldos lässige
Willfährigkeit nur eine Maske war, hinter der sich die Absicht verbarg, Julians
Werbung zu hintertreiben. Julians Ergebenheit für Waldo war zu stark, um leicht
erschüttert zu werden. Nicht einen Augenblick hätte er ihn weggewünscht, fühlte
sich aber sofort durch eine gewisse Unbehaglichkeit gestört. Obwohl Waldo nie
ein Wort gegen Tiffany geäußert hatte, konnte Julian sich des Verdachtes nicht
erwehren, daß er das Mädchen ein wenig ablehnend behandelte, oft wie ein
lästiges Kind, das man zwar duldet, dem man aber oft einen heilsamen Dämpfer
aufsetzt. Wenn er sie in Wut versetzt hatte, gab er nach, lockte sie mit seinem
glitzernden Lächeln aus ihrer Verdrießlichkeit und richtete ein paar Worte an
sie, die eine unerträgliche Mischung von Belustigung und Bewunderung
enthielten. Selbst Julian konnte nicht unterscheiden, ob Sir Waldo ernst war
oder ob er sich lustig machte; er sah nur, daß Tiffany sich in Waldos Gegenwart
nie von ihrer besten Seite zeigte. Auch sie fühlte wohl, daß Waldo sie nicht
mochte, und das machte sie nervös und arrogant. Wenn man sehr jung und scheu
und darauf bedacht ist, einen guten Eindruck bei jemandem zu machen, vor dem
man Ehrfurcht hat, benimmt man sich leicht überheblich, um die Scheu zu
verbergen. Doch Julian entging es, daß in Tiffanys Charakter keine Spur von
Scheu war, ebensowenig, daß Waldo sie dazu aufstachelte, sich von ihrer
unliebenswürdigsten Seite zu zeigen.
    Sir Waldo
hatte auf Grund einer fünfzehnjährigen Erfahrung Tiffanys Wesen auf den ersten
Blick erkannt. Es war nicht seine Gewohnheit, die Gefühle eines noch nicht
flügge gewordenen Wesens zu verspotten; aber nach einer Woche, in der er
Tiffany näher kennengelernt hatte, unterzog er sich ohne Reue der Aufgabe, sie
so zu bestricken, daß sie ihn Julian vorzöge. Zu viele Köder wurden von Damen,
die sein Interesse erregen wollten, nach ihm ausgeworfen, als daß er sie übersehen
konnte, und er wußte, daß er die durchaus ungewollte Begabung hatte, Anfängerinnen
mit romantischer, aber unangebrachter Zärtlichkeit für sich einzunehmen. Er
war auf der Hut, seit er – seiner Ansicht nach – die Nichte eines alten
Freundes väterlich-freundlich behandelt hatte. Sie hatte sich Hals über Kopf in
ihn verliebt, und er lernte aus dieser peinlichen Situation die Anzeichen
kennen, wann ein junges Mädchen im Begriff ist, ihr Herz zu verlieren. Da er
nichts als Verachtung für jene Männer von Welt hatte, die sich auf Kosten
sensibler hübscher Mädchen unterhalten, pflegte er eine solche Neigung im Keime
zu ersticken. Hätte er in Tiffany das kleinste Anzeichen einer romantischen
Neigung bemerkt, dann hätte er an seiner Gewohnheit festgehalten; aber er sah
in ihrem Benehmen nichts als den Entschluß, der Liste ihrer Eroberungen auch
seinen Namen anzufügen, und zweifelte, daß sie überhaupt ein Herz zu verlieren
habe. Sollte er sich irren, dachte er zynisch, würde es ihr nicht schaden,
einmal die Qualen unerwiderter Liebe kennenzulernen, die sie selbst ihren
unzähligen Bewunderern zufügte. Er hielt sie für ebenso selbstsüchtig wie
eingebildet, und
sollte auch die Zeit ihre Eigenschaften verbessern, wäre sie weder ihrer
Veranlagung noch ihrer Herkunft nach eine geeignete Gattin für den jungen Lord
Lindeth.
    Er hatte
Miss Trent gesagt, daß er nicht Lindeth' Hüter sei, und strenggenommen traf das
auch zu. Julians Vater hatte seine Mutter als Vormund und zwei Herren mittleren
Alters als seine Treuhänder bestimmt, aber Waldos kluge Tante Sophia hatte ihn
schon bald bei der Erziehung der jungen Halbwaise um Beistand gebeten. So wurde
Waldo nach und nach aus dem berühmten Cousin, der seinen Schützling in jede
Art männlichen Sports einführte, zum gesellschaftlichen Mentor, der Julian in
auserwählte Kreise mitnahm und über alle Untiefen steuerte, in denen so manche
unerfahrene Schiffer schwelgen und dann versinken. Nach all dem fühlte er sich
für Julian besonders verantwortlich, und jetzt, da Julian bereits
dreiundzwanzig Jahre zählte, war es nicht anders. Lady Lindeth hätte es ihm
nicht mehr als er sich selbst verübeln können, würde er, ohne einen Finger zu
rühren, dulden, daß Julian in eine unheilvolle Ehe gedrängt wurde. Einen jungen
Cousin auszustechen, der volles Vertrauen zu ihm hatte, würde ihn einige
Überwindung kosten, aber einem Manne von seinem Ansehen und seiner Erfahrung
bereitete es keine

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