Georgette Heyer
flehe dich
an, nimm keine Rücksicht auf mich, und verlange nur von mir, meinen Wagen für
diesen schlimmen, jämmerlichen Jungen zu benützen!»
«Die kann
keifen!» sagte Mr. Baldock und stieß einen Pfiff aus.
Mit einem
befremdeten Blick sah Lindeth auf Tiffany und wandte sich ab. Dann sagte er
ruhig: «Bitte, Sir, helfen Sie Miss Chartley in Ihren Tilbury. Ich reiche ihr
das Kind, und wir können losfahren.»
«Ja, aber
das wird verteufelt eng sein», sagte Mr. Baldock zweifelnd.
«Nein, es
wird gehen, ich sitze hinten auf.» Er wartete, bis Patience den Wagen bestiegen
hatte, legte den winselnden Jungen in ihren Schoß und sagte sanft: «Seien Sie
nicht traurig, es ist kein Grund dafür vorhanden, glauben Sie mir!»
Sie war am
Ende ihrer Kraft und flüsterte: «Ich hätte nie geglaubt – ich wußte nie – Lord
Lindeth, bleiben Sie bei ihr. Ich werde schon allein fertig.
Vielleicht könnten Sie einen Wagen für mich mieten? Ja, natürlich, das sollte
ich tun! Würden Sie, bitte, den Kutscher anweisen, zum Krankenhaus zu fahren?»
«Machen Sie
sich keine Sorgen!» bat er lächelnd. «Wir werden sofort besprechen, was zu
geschehen hat. In der Zwischenzeit wird Miss Trent nach Miss Wield sehen. Ich
komme mit Ihnen!» Er wandte sich um, weil Miss Trent kam, um Patience ihre
Börse zu reichen, und erklärte ihr kurz, was seiner Meinung nach nun zu
geschehen habe. Leise fügte er hinzu: «Werden Sie in das Krankenhaus kommen
können? Ich glaube, Sie sollten, nicht wahr?»
«Natürlich
werde ich kommen», antwortete sie, «sobald ich Miss Wield in das King's Arms
gebracht habe.»
Er atmete
erleichtert auf. «Ja, bitte! Jetzt suche ich Waldo, er ist der Mann für diese
Situation!»
Das dachte
sie selbst und stimmte von Herzen zu – wenngleich es sie wunderte, daß er das
sagte. Doch war Seine Lordschaft nun selbst ein wenig unsicher, denn eigentlich
hatte er mehr zu sich als zu ihr gesprochen, da Waldo es nicht liebte, daß man
seine Philantropie ausposaunte, und er bedauerte bereits, das gesagt zu haben.
Tiffany
stolzierte, außer sich vor Wut über die fortgesetzte Vernachlässigung, auf sie
zu und verlangte mit einer vor Leidenschaft bebenden Stimme zu wissen, wie
lange man sie noch warten lassen werde.
«Keine
Minute mehr!» antwortete heiter ihre Lehrerin, nahm ihr Patiences Sonnenschirm
und die verschiedenen Pakete ab, mit denen sie noch immer belastet war. Über
die Schulter lächelte sie Patience aufmunternd zu: «Wir treffen uns bald im
Krankenhaus, Miss Chartley! Also komm, Tiffany!»
«Sie werden
sie nicht im Krankenhaus treffen!» sagte Tiffany. «Ich möchte nach Hause
fahren, und es ist Ihre Pflicht, bei mir zu bleiben! Und wenn Sie nicht tun,
was ich will, werde ich es meiner Tante sagen, und Sie werden entlassen!»
«Ohne
Zeugnis!» nickte Miss Trent, schob eine Hand in Tiffanys Arm und steuerte sie
mit festem Griff über das Pflaster. «Und wenn ich dich nach Hause brächte und
Miss Chartley im Stich ließe, würde ihre Mama auch meine sofortige Entlassung
verlangen – also bin ich in jedem Fall vollständig ruiniert. Ich bin ganz krank
angesichts dieser Aussichten.
Aber an deiner Stelle würde ich auf mein Benehmen achten.»
«Auf mein
Benehmen?» Tiffany schnappte nach Luft. «Wenn die abscheuliche Patience
Chartley in ihrer heuchlerischen Art sich wie ein Wildfang benimmt, damit jeder
sie für eine Heldin hält ...»
«Benimm
dich, Tiffany!» unterbrach sie Miss Trent. «Ich werde nicht in der
Öffentlichkeit mit dir streiten, darum ist es besser, du hältst den Mund!»
Das zu tun
war die aufgeregte Schöne zu böse, und sie erging sich den Weg bis zum King's
Arms in Tiraden, die ebenso weitschweifig wie absurd waren. Miss Trent
antwortete nicht, aber sie hatte größte Lust, ihren Schützling zu schlagen. Sie
machte Tiffany darauf aufmerksam, daß sie die unerwünschte Beachtung jener
Passanten auf sich ziehe, die den Vorzug hatten, Bruchteile ihrer Verleumdungen
zu hören. Daraufhin schimpfte Tiffany leise weiter.
Man hätte
annehmen können, daß die Heftigkeit ihrer Erregung zur Zeit der Ankunft im
King's Arms erschöpft sein werde, aber sie war aus elastischem Material, und
die Aufzählung des Unrechts, das man ihr antat, und die Beschuldigungen gegen
alle, mit denen sie zu tun hatte, waren nur das Vorspiel zu einem Sturm, der –
wie Miss Trent aus Erfahrung wußte – auch sie einbeziehen würde. Dann aber
würde er jeden, der ihn hörte, in Schrecken versetzen und seinen
Weitere Kostenlose Bücher