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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junggesellentage
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Katzenkopfpflaster der Fahrbahn.
    Patience
stieß einen Schrei des Protestes aus, warf Päckchen, Sonnenschirm und
Geldbörse von sich und sprang vor den Augen der entsetzten Miss Trent auf die
Fahrbahn, faßte den Knirps unter den Hufen eines kastanienbraunen Hengstes,
der, vor einen Tilbury gespannt, mit raschem Trab die Straße herunterkam. Einen
Augenblick lang sah es so aus, als ob sie niedergetrampelt würde. Der Hengst
bäumte sich auf, schnaubte und wurde – wie durch ein Wunder – zur Seite gelenkt.
Der Lenker des Tilbury war ein schmucker junger Mann, dessen Kleidung ihn, so
eindeutig wie seine Handhabung der Zügel, als einen Angehörigen der höheren
Gesellschaftsklasse auswies. Sein Beitrag zu dem allgemeinen Aufruhr war ein
kräftiger Fluch. Im nächsten Augenblick schoß Lindeth an Miss Trent vorbei zu
Patiences Rettung, Tiffany ganz unzeremoniell zur Seite schiebend.
    Er neigte
sich über Patience.
    «Guter
Gott! Miss Chartley, sind Sie verletzt?»
    Sie hatte
den Knirps aus der Gefahr gerissen, kniend hielt sie ihn in ihren Armen und
blickte voll Entsetzen auf sein Gesicht, über das von einer Wunde auf der Stirn
das Blut floß. Sie blickte auf und sagte: «O nein, nein! Aber der kleine Junge!
– Etwas um das Blut zu stillen – ein Taschentuch – irgend etwas! – Oh, bitte,
einer von euch!»
    «Hier!
Nehmen Sie meines», sagte Lindeth und drückte es Patience in die Hand. «Armer
kleiner Teufel, warf sich selbst zu Boden!»
    Er blickte
auf den Lenker des Tilbury und sagte höflich: «Es tut mir leid, Sir, ich möchte
Ihnen danken, daß Sie so prompt gehandelt haben – ich nehme an, daß Ihr Pferd
nicht verletzt wurde.»
    Der
schmucke Herr erkannte, daß das Mädchen, das neben dem Randstein kniete, jung
und sehr hübsčh und offensichtlich aus gutem Haus war. Er wurde sehr rot
und stammelte: «Nein, nicht im geringsten. Bitte akzeptieren Sie meine
Entschuldigung, Ma'am! Die Aufregung des Augenblicks – habe mich vergessen –
beim Himmel – Sie hätten getötet werden können! Das tapferste Ding, das ich je
im Leben sah, beim Himmel, so war es!»
    Sie sah
kurz auf und sagte: «O nein, ich bin Ihnen sehr dankbar – kein Wunder, daß Sie
böse waren – aber sehen Sie – ich mußte es tun!»
    Miss Trent,
der es gelungen war, sich einen Weg durch die immer dichter werdende Menge zu
bahnen, beugte sich über sie und fragte besorgt: «Wie schwer ist er verletzt,
meine Liebe?»
    «Ich weiß
nicht, sein Kopf schlug auf die Steine, ich muß ihn ins Spital bringen.»
    «Ja, ich
fürchte, der Riß muß genäht werden», sagte Miss Trent, während sie aus ihrem
eigenen Taschentuch ein kleines Kissen formte, um es gegen die Wunde zu
pressen. «Halten Sie seinen Kopf so, daß ich Lindeth' Taschentuch darum binden
kann.»
    Da meldete
sich eine neue Stimme zu Wort. Der Eigentümer des gestohlenen Apfels, ein
dicker, atemloser Geschäftsmann erschien auf der Szene und bekundete laut seine
Absicht, einen Konstabler zu holen, damit er das Ungeziefer in Haft nehme. In
heller Wut sagte er in rauhem Ton zu Patience, daß der Platz für solche
Strauchdiebe das Gefängnis und nicht das Spital sei.
    Sie rief
beschwörend: «Ich flehe Sie an, übergeben Sie ihn nicht dem Konstabler. Er
hatte sehr unrecht, Sie zu bestehlen, aber sehen Sie doch! Er ist ein kleiner
Junge – und wie elend er ist! Außerdem ist er schwer verletzt!»
    «Na und?»
rief der Kaufmann. «Geschieht ihm schon recht, den Kragen hätte er sich brechen
sollen! Es ist eine Schande und ein Skandal, wie er und seinesgleichen sich
herumtreiben und nur eine Gelegenheit abwarten, um zu stibitzen. Ich werde an
diesem jungen Dieb ein Exempel statuieren – bei Gott, das werde ich tun!»
    «He, Sie
Schurke! Ist das die Art, mit einer jungen Dame zu sprechen?» rief nun der
Besitzer des Tilbury ärgerlich. «Und ich verbürge mich, daß dieser Balg nicht
halb so ein Dieb ist wie Sie! Ich kenne euch Händler! Ihr seid alle gleich:
verkaufen eine Pennykerze als Schiffslaterne!»
    Natürlich
war die Wirkung dieser Einmischung weit davon entfernt, die Sache zum Besseren
zu wenden. Der beteiligte Händler wandte sich an die Umstehenden um
Unterstützung, und obwohl einige ihm empfahlen, den Dieb laufen zu lassen,
nahmen andere für ihn Partei. Pro und Kontra schwirrten durch die Luft.
Lindeth, der nie vorher im Mittelpunkt einer so peinlichen Szene gewesen war,
nahm Witz und Würde zusammen und befahl dem Händler, den Wert des gestohlenen
Apfels anzugeben.

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