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Gepaeckschein 666

Gepaeckschein 666

Titel: Gepaeckschein 666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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eine Zuschneidemaschine zersägte ganze Stoffberge. Diese Stoffberge waren wie Sperrholz oder Pappkartons aufeinander geschichtet. Eine Überraschung nach der anderen. Die größte Überraschung brachte allerdings Herr Hesselbein persönlich. Leider war diese Überraschung unerfreulich.
    „Dienstag früh wird die Uniform gebraucht. Das bedeutet, daß wir bis Montagabend liefern müssen. Das ist möglich. Sie sehen, wir sind ein leistungsfähiger Betrieb.“
    Herr Hesselbein machte eine Bewegung zu den Glaswänden und den Werkstätten, die dahinter lagen. Dann drückte er auf einen Klingelknopf und lächelte. Er lächelte sehr höflich, und seine vorstehenden Vorderzähne wurden dabei sichtbar.
    Die Klingel zauberte einen Angestellten im weißen Arbeitsmantel und mit einem Zentimetermaß herbei.
    „Pagenuniform, Hotel ATLANTIC! Nehmen Sie bitte Maß bei dem jungen Herrn“, sagte Herr Hesselbein und lächelte wieder ohne jeden Grund. Aber er lächelte eben.
    „Zweiundsechzig - dreiundvierzig - sechsundzwanzig.“ Peter erfuhr zum erstenmal auf den Zentimeter genau, wie lang seine Arme und Beine waren, wie breit sein Rücken war und welchen Brustumfang er hatte. Das war eigentlich ganz interessant. Auch Herr Hesselbein schien das zu finden und machte sich Notizen. Lächelnd schrieb er auf, was der Angestellte ihm ansagte.
    „Jetzt noch die Kragenweite - danke - damit hätten wir’s“, sagte Herr Hesselbein schließlich. „Wenn ich bitten darf, zur Anprobe Freitag früh. Und welchen Betrag darf ich als Anzahlung quittieren?“
    Das war die unerfreuliche Hesselbeinsche Überraschung. Die beiden Pfannroths sahen sich an, als hätte man ihnen gesagt, sie müßten leider sofort in eine Fliegende Untertasse steigen und mal schnell zum Mond rüberfliegen. „Ich denke, die Uniform wird vom Hotel bezahlt?“ fragte Mutter Pfannroth nach einer Weile.
    „Man scheint Sie bedauerlicherweise nicht unterrichtet zu haben“, lächelte Herr Hesselbein. „Die Uniform muß von jedem Pagen selbst gestellt werden. Das ist in der gesamten Hotelbranche so üblich. Und damit sich alle Uniformen gleichen wie ein Ei dem anderen, ist unsere Firma mit der alleinigen Herstellung beauftragt. Der Preis ist übrigens einhundertsechsundzwanzig Mark und sechzig. Sie werden zugeben, das ist sehr entgegenkommend.“
    Die beiden Pfannroths sahen sich wieder einmal an.
    „Unsere Firma muß bei Auftragserteilung allerdings auf einer Anzahlung bestehen, und bei Lieferung der Uniform ist der volle Betragfällig. Wir haben früher auch Teilzahlungen gestattet, aber leider sehr schlechte Erfahrungen machen müssen.“
    „Damit habe ich nicht gerechnet“, gab Mutter Pfannroth zu.
    „Sie wollen den Auftrag also wieder zurückziehen?“ lächelte Herr Hesselbein.
    „Dieses ewige Lächeln geht mir allmählich auf die Nerven“, dachte Peter.
    „Von Zurückziehen kann nicht die Rede sein. Ich muß Sie nur bitten, daß Sie im Augenblick auf eine Anzahlung verzichten. Aber ich verspreche Ihnen, das Geld bis zur Lieferung am Montag aufgebracht zu haben. Ich gebe Ihnen meine Adresse“, sagte Mutter Pfannroth. „Im übrigen bin ich selbst Schneiderin. Sie wissen ja, wie schwer es manchmal für unsereinen ist, sein Geld zu bekommen.
    „Parole d’honneur“, lächelte Herr Hesselbein. Dieses Mal besonders süß und höflich. „Einverstanden, sozusagen aus kollegialer Gefälligkeit.“
    „Danke schön“, sagte Mutter Pfannroth und verabschiedete sich. Herr Hesselbein ging mit bis zur Tür.
    „Nicht vergessen, Freitag früh zur Anprobe, junger Freund, und meine beste Empfehlung.“
    Die beiden Pfannroths stiegen nebeneinander die Treppe hinunter, ohne ein Wort zu sagen. Endlich im Erdgeschoß blieb Peter plötzlich stehen.
    „Nicht böse sein, Frau Pfannroth, aber was Sie da oben gemacht haben, ist nun wirklich Hochstapelei. Wo sollen wir bis Montag um alles in der Welt hundertsechsundzwanzig Mark hernehmen?“
    „Einhundertsechsundzwanzig“, rechnete Frau Pfannroth vor sich hin, „nicht sehr viel für jemanden, der Geld hat, aber für uns eine ganze Menge!“ Frau Pfannroth ging langsam weiter.
    „Komm, laß uns das Ding abbestellen“, schlug Peter vor.
    „Eine ganze Menge, hab’ ich gesagt, und das stimmt auch. Aber so viel ist es dann auch wieder nicht, auch für uns nicht. Ich meine, daß wir deshalb einfach die Flinte ins Korn werfen müßten.“ Mutter Pfannroth war auf einmal wieder unternehmungslustig wie eh und je. Sie kniff Peter

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