Gepaeckschein 666
ihm!“
„Trotzdem müssen wir ihn anrufen!“ beharrte Peter.
„Das wäre eine Möglichkeit“, gab Francis zu und sah zum Fenster hinaus.
„Und die zweite?“ wollte Peter wissen.
„Die zweite?“ wiederholte Francis und machte eine lange Pause. Dann drehte er sich um, hielt den Kopf schief und sah Peter an. „I think that is a —“ Mitten im Satz merkte er, daß er unwillkürlich wieder einmal englisch sprach. Er grinste und meinte kurz: „Entschuldigung! Ich meine nur, daß wir die Sache höchstpersönlich und allein in die Hand nehmen sollten.“
Peter schluckte zuerst dreimal, völlig sinnlos, denn er hatte nichts im Mund. Dann sagte er mit einer Stimme, als ob er plötzlich Mandelentzündung hätte: „Und -und warum, wenn ich fragen darf?“
„Ganz einfach“, Francis machte wieder ein paar Schritte zwischen dem Fenster und dem Sofa, dann sagte er nur: „Wegen der Belohnung!“ Nach einer Weile meinte er: „Wir müßten die Zeitung haben, aus der du gestern im Zoo vorgelesen hast. Da stand’s drin.“
„Augenblick!“ sagte Peter und rannte los.
Als er von der Treppe her im ersten Stock um die Kurve kam, boxte er beinahe mit Herrn Meyer von 477 zusammen.
„Entschuldigung!“ murmelte Peter und flitzte weiter.
„Hallo Page!“ rief Herr Meyer. „Ich habe einen Auftrag! „
„Leider belegt, ich schicke gleich einen Kollegen!“ rief Peter zurück, und dann war er auch schon in der Halle und im Lesezimmer. Zum Glück hatte man die Zeitungen von gestern noch nicht ausgewechselt. Peter griff sich also das „8-Uhr-Blatt“ und sauste zurück. Natürlich, da war doch eine Belohnung ausgesetzt. Daß er daran noch nicht gedacht hatte!
Atemlos stürmte er zu Francis ins Zimmer und warf ihm die Zeitung zu.
„Auf der ersten Seite“, japste er, ließ sich in einen Sessel fallen und schnappte wie ein Fisch in sauerstoffarmem Wasser nach Luft. „Rechts unten!“
Francis las laut vor: „— hat sich die Handels- und Creditbank entschlossen, die für die Ergreifung der Täter und Wiedererlangung des Geldes ausgesetzte Belohnung von bisher 1000,- Mark auf 5000,- Mark zu erhöhen.“
„Fünftausend“, wiederholte Peter. „Davon für jeden von uns die Hälfte.“ Er dachte an Mutter Pfannroth und daß sie sich damit eine piekfeine elektrische Nähmaschine kaufen könnte, zwei sogar! Man würde sich dann noch jemanden zur Hilfe nehmen.
Peter sah auf. „Es ist einfach nicht zu glauben“, sagte er wieder.
„Das Geld hätten wir also!“ stellte Francis fest und setzte sich auf das Sofa, unter dem der Koffer lag. „Aber hier in der Zeitung steht ganz klipp und klar, daß die Belohnung auch für die ,Ergreifung der Täter’ ausgesetzt ist.“ Er faltete das „8-Uhr-Blatt“ wieder zusammen und legte es zur Seite. „Wenn wir jetzt also den Koffer so einfach aus der Hand geben, laufen wir Gefahr, daß man uns nur einen Teil der fünftausend Mark gibt. Da jagt man dann noch weiter hinter den Gangstern her, eine Menge Leute sehen etwas, geben Hinweise und alle verlangen sie nachher ein Stück von der ausgesetzten Belohnung.“ Francis stand auf und spazierte wieder zum Fenster zurück. „Wie gesagt, ich bin dafür, daß wir vorerst zu keinem Menschen etwas sagen. Was andere können, können wir auch. Im übrigen habe ich eine ganze Menge Kriminalfilme gesehen und Detektivgeschichten gelesen. Ich weiß Bescheid!“
Peter zog in seinem Sessel die Knie bis unters Kinn und dachte nach.
Da kam Francis vom Fenster her, setzte sich vor Peter auf den Zimmerteppich und kreuzte seine Beine. „Was kann schon passieren? Das Geld haben wir jedenfalls, und das nimmt uns auch niemand mehr weg!“
Francis kam dichter an Peter heran. „Es ist wirklich ein Kinderspiel, jetzt auch noch diese ,Schwarze Rose’ und ihren Genossen aufzustöbern! Es wäre eine Affenschande, wenn wir es nicht wenigstens probieren würden! Wer weiß, wie lange der Koffer vielleicht noch in seinem Regal bei der Gepäckaufbewahrung gestanden hätte!“
„Das stimmt!“, überlegte Peter. Und dann meinte er nach einer Weile: „Gut, nehmen wir also an, der Koffer würde erst morgen abend von uns geholt worden sein.“
„Ich versteh’ kein Wort!“ gab Francis zu.
„Das bedeutet: Wenn wir bis morgen abend keine Spur von den beiden Gangstern entdeckt haben, wird Kriminalkommissar Lukkas angerufen. Einverstanden?“
„Einverstanden!“ rief Francis und sprang auf. Er hüpfte in seinem kornblumenblauen Bademantel durchs
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