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Gepeinigt

Titel: Gepeinigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresa Saunders
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Kriminalbeamten gab es nicht. Der perfekte Lehrer für jemanden
wie sie, mit achtundzwanzig Jahren die Jüngste im Team und überaus lernbegierig. Aber die gestrige Lektion war hart gewesen.
    Sie versuchte nicht daran zu denken, errichtete eine geistige Barriere. Sie hätte es im Moment nicht ertragen können, den gestrigen Tag noch einmal Revue passieren zu lassen. Und obwohl sie die Barriere für den Moment aufrechterhalten konnte, wusste sie, dass dies nicht ewig so bleiben würde.
    Claudia war einer der Menschen, die regelmäßig mit sich ins Gericht gingen, ihr soziales Verhalten und ihre beruflichen Leistungen überprüften. Grübeleien, die jede Menge Selbstvorwürfe enthielten. Meistens abends, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam. Sie fürchtete sich regelrecht vor diesen Stunden, weil es dann keine Ablenkung gab. Es war, als würde man nach einem langen und anstrengenden Tag nach Hause kommen und müde am Küchentisch die Post öffnen. Selten war ein aufmunternder, lobender Brief dabei. Die mentalen Briefe, die sie sich schrieb, waren unweigerlich voller Selbstzweifel und Selbstvorwürfe. Und egal wie sehr sie sich auch anstrengte, diese Zweifel zu besiegen, sie kamen immer wieder …
    Manchmal ertappte sie sich dabei, wie sie im Büro hörbar vor sich hinmurmelte, und dann wurde dieses Murmeln immer lauter, wenn sie sich für diese Selbstgespräche schalt, die jeder mit anhören konnte. Ihre Kollegen würden sie schön auslachen, wenn sie es merkten! Und obwohl es die reinste Folter war, wusste sie, dass sie einfach nicht damit aufhören konnte, weil es ein integraler Bestandteil ihrer Persönlichkeit war. Sie war nun mal von Natur aus selbstkritisch.
    Wie jetzt zum Beispiel. Claudia schalt sich innerlich dafür, dass sie Paul Temples Bemerkung über ihr Äußeres kommentarlos hatte durchgehen lassen, als sie seinen Vierertisch
passierte. Er war zwar ein Detective Sergeant, doch nahm er es mit der politischen Korrektheit nicht sehr genau.
    Â»Nette Aufmachung«, hatte er gesagt, aber mit einem zweideutigen Unterton. Jemand mit mehr Selbstbewusstsein – Mary zum Beispiel – hätte ihn zur Rede gestellt, hätte allein mit ihrem sicheren Auftreten den Sieg davongetragen.
    Feigling, beschimpfte sich Claudia, du elender Feigling.
    Als sie ihren Arbeitsplatz erreichte, legte sie ihr Sandwich auf den Schreibtisch.
    Â»Gibt’s was Neues?«, fragte sie Nick.
    Er schüttelte den Kopf.
    Claudia ging um ihn herum zu den Computern, die hinter ihm standen. Zerstreut registrierte sie, dass er ein sehr angenehmes, würziges Aftershave trug, wobei ihr einfiel, dass sie heute früh vergessen hatte, Parfüm aufzulegen. Verdammt. »Haben Sie sich schon die Überblicksinfos angesehen?«, fragte sie.
    Â»Noch nicht«, antwortete er, ohne den Blick von den Papieren zu heben, in die er vertieft war. Telefonrechnungen, wie es schien.
    Sämtliche polizeilich relevanten Vorkommnisse aus der Region wurden jeden Tag als Überblicksinformationen gesammelt und online gestellt. Die Datei wurde dreimal täglich aktualisiert und enthielt alle Festnahmen, Notrufe, Einbrüche und dergleichen.
    Claudia loggte sich ein. Wieder einmal war sie verblüfft über die Menge an Vorfällen. Im Grunde ihres Herzens ein Mädchen vom Lande, war es ihr schwergefallen, sich an die erhöhte Kriminalität in der Stadt zu gewöhnen. Und obwohl sie es mittlerweile zum Detective Constable geschafft hatte, war ihr klar, dass ihr die Polizeiarbeit nicht von Natur aus
leichtfiel, so wie anderen, die härter, selbstbewusster waren und ihre Gefühle besser verbergen konnten.
    Sie fand nichts Interessantes, kehrte zu ihrem Schreibtisch zurück und biss herzhaft in ihr Sandwich. In diesem Moment klingelte ihr Telefon.
    Nick blickte irritiert auf.
    Â»Gehen Sie da irgendwann mal ran?«
    Claudia bedeutete ihm mimisch, dass sie so schnell kaute, wie sie konnte. Sein leichtes Stirnrunzeln entging ihr nicht. Er streckte den Arm über seinen Schreibtisch und hob den Hörer ab.
    Â»Nick Kennedy«, brummte er. Stille. »Sie wird gleich da sein.« Er reichte ihr den Hörer, damit sie auflegen konnte, und musterte sie prüfend. »Spencer Gray ist da.«
    Claudia zuckte nicht zusammen – so viel Selbstbeherrschung besaß sie inzwischen.
    Â»Ich bin hier noch nicht ganz fertig. Bringen Sie ihn in Zimmer zwei. Ich komme

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