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Gepeinigt

Titel: Gepeinigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresa Saunders
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anderen zu täuschen.
    Bei ihrer Ankunft im Regal Lakes Hotel hatte sich der Himmel ihrer düsteren Stimmung angepasst. Sie war in die Lobby marschiert, hatte der viel zu stark geschminkten Rezeptionistin ihren Ausweis gezeigt und gesagt:
    Â»Die Zimmernummer von Mr. Spencer Gray, bitte.«
    Â»Bedaure, Mr. Gray hat uns ausdrücklich mitgeteilt, dass wir seine Zimmernummer nicht weitergeben dürfen. Aber ich könnte ihn anrufen und schauen, ob er da ist?«
    Â»Tut mir leid, seine Wünsche haben in diesem Fall keinerlei Relevanz. Wir ermitteln in einem wichtigen Kriminalfall. Es hat nichts mit Mr. Gray persönlich zu tun, aber wir haben ein paar dringende Fragen an ihn. Die Zimmernummer, bitte.«
    Â»Ach, ich weiß nicht …«
    Â»Sofort! Oder ich besorge mir einen Durchsuchungsbefehl und stelle das Hotel auf den Kopf!«
    Â»Ã„h, Zimmer Nummer 48. Aber ich muss dem Chef Bescheid sagen. Wie war noch gleich Ihr Name?«
    Â»Detective Constable Claudia Becker«, leierte sie herunter und war bereits auf dem Weg zum Lift. Dann überlegte sie es sich anders und nahm die Treppe. Es war schließlich bloß der dritte Stock. Sie war kaum oben angekommen, als ihr Handy klingelte.

    Â»Becker«, hatte sie gesagt.
    Â»Becker, hier ist Nick.«
    Â»Ja, Sarge?«
    Â»Wo sind Sie gerade?«
    Â»Im Regal Lakes. Wollte gerade bei Mr. Gray anklopfen.«
    Â»Gut.«
    Â»Sir?«
    Â»Hören Sie, tut mir leid, dass ich Sie vorhin so angefahren habe. Aber ich habe ganz bewusst Sie für diesen Auftrag ausgewählt. Die Gründe dafür gehen Sie nichts an. Also tun Sie Ihre Arbeit, Becker, und machen Sie Ihre Sache gut. In Ordnung?«
    Â»Ja, Sarge.«
    Â»Rufen Sie mich sofort an, wenn Sie was erfahren. Vergessen Sie nicht, es geht hier um eine von uns.«
    Â»Ja, Sarge, es ist bloß, dass …« »Becker, es interessiert mich nicht, wenn Sie sich mit den Falschen einlassen. Das ist nichts im Vergleich zu dem, was Mary möglicherweise durchmacht. Und die da oben sitzen mir bereits im Nacken. Wir müssen was vorweisen können und zwar rasch, bevor sie uns den Fall wegnehmen.«
    Â»Jawohl, Sir. Tut mir leid, dass ich Sie unnötig aufgehalten habe.«
    Â»Sie sind gut in Ihrem Job, Becker. Lassen Sie sich Zeit mit dem Mann. Pressen Sie alles aus ihm raus. Und dann rufen Sie mich an.«

    Das war gestern gewesen. Jetzt ging sie rasch den mit Linoleum ausgelegten Flur entlang und war schneller am Empfang, als ihr lieb war. Sie verschwendete unnötige Sekunden darauf, mit der diensthabenden Beamtin zu sprechen und
wandte sich dann zu dem ungeduldig wartenden Spencer Gray um. Er trug eine für ihn typische schwarze Hose, einen breiten, auffälligen schwarz-silbernen Gürtel und ein langärmeliges babyrosa Hemd – eine Aufmachung, in der er besser auf eine Gartenhochzeit gepasst hätte – wenn auch auf eine verregnete, dachte sie, als sie seinen triefenden Designer-Regenschirm sah. Das in Ansätzen sprießende Ziegenbärtchen war neu. Er sah aus wie einer dieser Kandidaten von Big Brother, die gleich am Anfang wieder rausflogen. Außerdem hob es seine lange, schmale Nase noch mehr hervor und betonte das künstlich schwarz gefärbte, allmählich schütter werdende Haar und die von tiefen Falten zerfurchte Stirn.
    Â»Mr. Gray«, begrüßte sie ihn.
    Er zog eine Augenbraue hoch und musterte sie hochmütig.
    Obwohl sie bereits gestern mit ihm gesprochen hatte, war Claudia unsicher, wie er heute auf sie reagieren würde. Ob ihm inzwischen eingefallen war, dass sie sich kannten und eine Nacht miteinander verbracht hatten? Falls ja, würde er auf Charmeur machen oder den ungehobelten Klotz spielen? Nichts dergleichen geschah. Er musterte sie lediglich mit demselben glasigen Ausdruck, mit dem er auch jeden anderen vorbeikommenden Polizisten bedachte. Mit dieser Möglichkeit hatte sie nicht gerechnet. Sie wurde verlegen. Unwillkommene Gedanken bestürmten sie – willkürliche, unsinnige Gedanken. Hatte er sie selbst jetzt nicht erkannt? Sie hätte sich die Haare raufen mögen, wünschte sehnlichst, diesen Fehltritt aus ihrem Leben streichen und mit etwas Angenehmerem und Erträglicherem ersetzen zu können. Stattdessen fragte sie sich, was in jener Nacht vorgefallen war, dass er sie so schnell vergessen hatte.

    Â»Danke, dass Sie hergekommen sind. Würden Sie mir bitte folgen?«
    Keine

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