Gepeinigt
keinerlei Spuren hinterlassen. Nicht einmal Mary würde ihn identifizieren können. Sie hatte ihn ja nicht gesehen. War ihm bis zu diesem Zeitpunkt nie begegnet. Und selbst wenn es ihr gelänge, ihre Kollegen zum Bunker zu führen â was er angesichts ihres orientierungslosen Herumirrens bezweifelte -, würde man dort nichts finden. Keine Kapuze. Keine zurückgelassenen Schuhe oder Socken. Keine Eimer. Keine Unterwäsche. Und bestimmt keine DNA. Das perfekte Verbrechen.
Simon zog sein T-Shirt aus und schob seine Hose bis zu den FuÃgelenken runter. Er fuhr mit den Fingern durch sein spärliches braunes Brusthaar, dann streichelte er seine Oberschenkel mit einem weichen Federbusch â seine Belohnung dafür, dass er so clever war. Eine Viertelstunde lang verwöhnte er sich, widmete seinem Körper seine volle Aufmerksamkeit. Das war einer der Nachteile des Singlelebens â man musste sich selbst verwöhnen. Ganz anders als im Gefängnis. Dort hatte er jede Menge Zuwendung erfahren.
Obwohl er anfangs einen Höllenschiss gehabt hatte. War sogar so blöd gewesen wie sein Bruder und hatte versucht, Selbstmord zu begehen, um der Verurteilung zu entgehen. Man hatte ihm nach seiner Verhaftung Psychopharmaka verschrieben. Er hatte das Zeug aufgehoben und kurz vor der Verhandlung eine Ãberdosis genommen. Einhundertsechzigundvierzig
Tabletten. Er hatte zwei Herzanfälle gekriegt. Und war am Ende trotzdem verurteilt worden. In einem vergitterten Transporter hatte man ihn zum Gefängnis gebracht und in eine Wartezelle zu zehn anderen Typen gesteckt, die offenbar alle schon mal gesessen hatten. Jung, klein und ohne Freunde hatte er mit dem Schlimmsten gerechnet. Die einzige Chance, das Ganze heil zu überstehen, hatte er darin gesehen, sich so schnell wie möglich dem Knastalltag anzupassen. Und keine Gefühle zu zeigen.
Wie ruhig ihm alles zunächst erschienen war. Aber das war nur die Oberfläche. Ohne Vorwarnung, wie ein Pistolenschuss, konnte Gewalt ausbrechen â manchmal mit tödlichem Ausgang. Alles, was er tun konnte, war, den Kopf einzuziehen und den Göttern zu danken, dass es nicht ihn erwischt hatte. In der ersten Woche war es ein paarmal ganz schön knapp gewesen. Sie hatten ihn umkreist wie Haie, hatten ihm Drohungen zugeflüstert, an denen er in den langen Nächten fast erstickt wäre.
Die Gefängnisverwaltung hatte ihm angeboten, ihn in Schutzhaft zu nehmen â der Schisserblock, wie man ihn unter den Häftlingen nannte -, und er hatte es ernsthaft in Erwägung gezogen. Die Ãberwachung war zwar besser, aber er hätte dann die ganze Zeit über dort bleiben müssen. Keine Chance, sich wieder unters gemeine Volk zu mischen, sobald man als Schwächling gebrandmarkt ist. Und wer wusste schon, ob ihm nicht auch dort etwas zustieÃe? Er hatte das Angebot also voller Angst abgelehnt.
Ja, die erste Zeit war sehr schlimm gewesen. Bis es ihm gelungen war, sich einen Beschützer zu angeln. Danach hatte sich alles geändert.
Er dachte daran zurück. Sein Schwanz schwoll an.
Was damit anfangen? Wieder zu seinem alten Trick zurückkehren?
Er zog es einen herrlichen Moment lang in Betracht. Aber nein, das wäre dumm, töricht. Unnötig riskant. Das hatte ihn überhaupt erst in den Knast gebracht. AuÃerdem hatte er es jetzt hinter sich gelassen. Fremden Leuten seinen Schwanz zu zeigen war kindisch. Er hatte in der Pubertät damit angefangen. Der Reiz für ihn lag in dem Entsetzen, in der Angst der völlig ahnungslosen Leute. Er hatte geistige Fotos von ihren physischen Reaktionen gemacht â die aufgerissenen Münder, das Quieken, das Zurückschrecken, das Stieren, Mütter, die ihren Kindern die Augen zuhielten -, die er sich später ins Gedächtnis rief, um sich aufzugeilen. Am besten geeignet waren Teenager. Die waren am leichtesten zu schocken, aber zu ängstlich, um zu petzen.
Unglücklicherweise war ihm gerade sein Erfolg zum Verhängnis geworden. Er war so gut geworden, so leicht erregbar, dass er, ohne es zu wollen, ein einfach nachvollziehbares Muster entwickelt hatte: ähnliche Umgebung, ähnliche Zeit, ähnliche Opfergruppe.
Obwohl er ein Meister seines Fachs gewesen war, war ihm der Exhibitionismus nun nicht mehr so wichtig. Mit seinem Beschützer hatten sich die Dinge geändert. Er war nicht mehr so ängstlich und verschüchtert. Jetzt hatte er sogar den Mumm,
Weitere Kostenlose Bücher