Gepeinigt

redete. Und wenn er noch einmal blinzelte wie ein Mondkalb, dann würde sie … schreien, aufstehen und gehen, ihm eine reinhauen – alles verlockende Vorstellungen. Sie hatte verdammt noch mal Besseres zu tun, musste wichtigen Spuren nachgehen, als hier rumzusitzen und sich von diesem Schwachkopf etwas vornölen zu lassen.
    Unfähig zu sprechen, nickte sie nur. »Mir ist durchaus klar, Mary, dass Sie lieber eine andere Spur verfolgen würden, aber gerade Ihnen sollte doch klar sein, dass jede Facette dieser Untersuchung dieselbe gründliche und geduldige Aufmerksamkeit erfordert. Und deshalb sitzen Sie und ich jetzt hier, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, den genauen Standort des Bunkers zu lokalisieren.«
    Die Härchen auf ihren Armen richteten sich auf, und ihre Nasenlöcher bebten.

    Â»Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß.«
    Â»Sie als erfahrener Detective Senior Constable waren also unfähig, irgendwelche Beobachtungen über die Umgebung anzustellen?«
    Â»Richtig.«
    Â»Pflanzen? Tiere?«
    Â»Nein.«
    Â»Wäre es möglich, dass Sie diese Untersuchung absichtlich torpedieren, Mary? Ein Anflug von Stockholm-Syndrom vielleicht?«
    Ihr Aufspringen war purer Reflex.
    Â»Setzen Sie sich, Senior Constable!«, befahl er.
    Ungeachtet der Aufmerksamkeit, die sie zweifellos auf sich gezogen hatten, starrte sie in seine auf einmal nicht mehr blinzelnden Augen.
    Â»Ich muss gleich kotzen«, zischte sie. »Sie täten gut daran, mich sofort gehen zu lassen.«
    Er nahm sich aufreizend viel Zeit, als ließe er ihren Satz genüsslich nachklingen, doch dann nickte er.
    Gott, wie sie ihn hasste! Und das Arschloch, das sie entführt hatte! Und ihren Vater! Beschissene Männer!
    Die Klobeleuchtung war viel zu grell. Sie beugte sich übers Waschbecken und tupfte ihr Gesicht mit kaltem Wasser ab. Einen flüchtigen Moment lang war ihr wirklich nach Kotzen zumute, aber das legte sich glücklicherweise rasch wieder. Ihr war scheißegal, was Paul Temple von ihr hielt, sie hatte Wichtigeres im Kopf.
    Als sie in den Dienstraum zurückkehrte, war er verschwunden. Wahrscheinlich nach oben, um zu petzen, vermutete sie. Sie ging stracks an ihren Schreibtisch und griff zum Telefon.
    Â»Alles in Ordnung?«, fragte Nick.

    Sie blickte auf.
    Â»Ja, schon gut.«
    Nick nickte und verließ ebenfalls den Raum. Gut. Sie wollte zwar nicht absichtlich hinter seinem Rücken agieren, aber sie brauchte jetzt unbedingt ein wenig Luft zum Überlegen. Sie hielt sich den Hörer ans Ohr. »Tina, was ist mit den Namen, die ich Ihnen gegeben habe?«
    Â»Sie wollten sich sofort drum kümmern und Ihnen die Täterprofile mailen. Haben Sie schon in Ihre Mailbox geschaut?«
    Â»Mache ich sofort.« Mary setzte sich an den Computer in der Ecke, der am wenigsten einsehbar war. Dank der Polizeibürokratie war ihre Mailbox am Überquellen. Sie scrollte bis ans Ende zu den heute eingegangenen Nachrichten. Die letzte war die, die sie suchte. Ihr Herz machte einen aufgeregten Satz. Sie doppelklickte auf die Mail, überging das Intro und las sofort die beigefügte Liste durch.
    Â 
    Eric Michael Chan:
    - Michael Lee Levin (23.02.05 – 14.03.06) entlassen
    - Walter Green (19.05.06 – 18.09.06)
    - Leonardo Reid (25.12.06 – 13.01.08) Freigänger
    Bruce Johns:
    - Michael Karl Kluckow (18.06.06 – 13.12.06)
    - Simon David Moloney (11.04.07 – 07.07.08) entlassen
    George Peter Tsiolkas:
    - Nikolas Joseph (07.09.06 – 31.01.07)
    - Jonathon Peter Fry (06.04.07 – 19.08.08) entlassen
    Denis Craig Gagnon:
    - Vikas Brite (15.01.05 – 27.11.05) Freigänger
    - Joshua Adam McNamara (16.03.06 – 27.12.06)
    - David Gaita (28.01.07 – 11.05.07)
    - Levi Byron Kowaltzke (13.06.07 – 12.02.08) entlassen
    - Murray James French (13.02.08 – 16.09.08) entlassen
    Die neuen Namen sagten ihr nichts. Unruhig sprangen ihre Augen hin und her, huschten über Sätze wie »…. letzte Datierung vor vier Jahren … nur Zellengefährten, die zwei Monate oder länger … keine bisher bekannte Verletzung des Freigängerstatus … Profile … siehe Anhang«. Sie doppelklickte auf den Anhang und druckte die Profile von Michael Levin, Simon Moloney, Jonathon Fry und Levi Kowaltzke aus. Murray French hatte dunkelbraune Augen, eindeutig ein Aborigine-Mischling. Er kam nicht infrage.
    Zunächst galt es,