Gequält
Können wir noch einmal von vorne anfangen?«
»Von vorne anfangen?«, erwiderte Calle.
»Oder so.«
»Machen Sie sich keine Gedanken«, meinte Calle.
»Sicher?«
Calle nickte und griff zu seinem Smartphone, als wolle er seinem Nachbarn andeuten, dass er ihre Unterhaltung zwar zu schätzen wisse, jetzt jedoch weitermachen müsse. Der Mann zog ebenfalls sein Handy aus der Tasche. Schweigend saßen sie nebeneinander und lasen ihre Mails und die Schlagzeilen der Abendzeitungen.
»Ich finde die Geschichte gut«, sagte der Mann. »Außerdem ist sie wahr, was auch immer das für eine Rolle spielt.«
»Ja, das ist eine gute Geschichte«, erwiderte Calle und beschloss, nach dem Mann ins Flugzeug zu steigen, um einen Platz in gehörigem Abstand wählen zu können und auf diese Weise weiteren Kontakt zu vermeiden.
11
Mona Björklund wohnte in Bjuv, arbeitete aber in den Villenvororten nördlich von Helsingborg. Das war zwar recht weit, ersparte ihr aber, in ihrer Freizeit Kunden zu begegnen.
Alle unsere Angestellten sprechen Schwedisch , pries das Unternehmen in ihren Anzeigen an. Dadurch unterschied es sich von den anderen Putzfirmen.
Eins der Häuser, in denen Mona putzte, gehörte einem Zahnarzt mit Praxis in Landskrona. Er wollte auch nicht an seinem Wohnort arbeiten.
»Ich kann mich nicht in der Stadt zeigen, ohne dass die Leute den Mund aufreißen, um mir was zu zeigen.«
Er war okay. Geizig und gestresst, wahnsinnig theater- und kunstinteressiert, aber zumindest kein Ekel wie der Alte von gegenüber, der immer auftauchte, wenn sie putzte. Wie zufällig. Eigentlich nicht unfreundlich, aber aufdringlich. Unangenehm. Mona hatte im Büro gefragt, ob ihr nicht jemand dieses Haus abnehmen könne.
»Ist er dir an die Wäsche gegangen?«, kam die Frage.
Das war er nicht. Abgesehen davon, dass er sich einmal erboten hatte, ihr die müden Schultern zu massieren, was sie mit Nachdruck abgelehnt hatte.
Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Sie bildete sich leicht mal was ein. Wie jetzt, als sie ihre Wohnungstür aufschloss und das Gefühl hatte, dass etwas nicht stimmte. Es war ein vages Gefühl, flüchtig und nicht ausreichend, um daraus Konsequenzen zu ziehen, aber es war da. Mona hatte gelernt, Gedanken dieser Art zu unterdrücken und sich nicht von ihnen beherrschen zu lassen. Sie öffnete die Tür und trat ein.
Aus der Ahnung wurde Gewissheit. Jemand befand sich in der Wohnung.
»Hallo?«, rief sie und schloss die Türe hinter sich.
Als sie keine Antwort erhielt, ging sie weiter. Dann rief sie lauter und fragend:
»Conny?«
Mona ging ins Schlafzimmer, neigte den Kopf zur Seite und spähte Richtung Wohnzimmer. Als sie die Frau sah, zuckte sie zusammen und schnappte nach Luft. Das war unpraktisch, weil sie das den Bruchteil der Sekunde kostete, den sie noch zum Schreien gehabt hätte.
Ein großer Mann trat von hinten an Mona heran, legte ihr eine Hand auf den Mund und schleifte sie ins Wohnzimmer. Er drückte sie in einen Lehnstuhl und hielt sie dort fest, ohne die Hand von ihrem Mund zu nehmen.
Die Frau baute sich vor ihnen auf. Sie trug dünne Gummihandschuhe und hatte ein Bündel Plastikbänder in der einen Hand.
»Weißt du, wie die heißen?« fragte Sara.
Mona hatte nicht die Möglichkeit zu antworten.
»Ich hatte wirklich Mühe, dem Typen im Laden zu erklären, was ich meine«, fuhr Sara fort. »Erst habe ich es mit Strips versucht. Da hat er mir so einen klebebandähnlichen Unsinn unter die Nase gehalten. Nein, habe ich gesagt. Die Dinger, mit denen man Kabel zusammenbindet. Schließlich hat er es begriffen.«
Sara trat auf Mona zu und zurrte ihre Handgelenke an den Armlehnen fest. Dann ging sie in die Hocke, um Monas Knöchel an den Stuhlbeinen zu fixieren. Mona trat um sich. Weniger, um sich zu befreien, als um sich zu wehren.
Sara betrachtete sie.
»Hör auf«, sagte sie ruhig. »Es wird nur schmerzhafter, wenn du Ärger machst. Du weißt, wer ich bin. Stell die Füße auf den Boden und lass mich machen.«
Monas heftige Atemzüge verstummten. Sie hatte die Augen immer noch weit aufgesperrt, stellte jetzt jedoch die Füße auf den Boden und gestattete es der Frau, die Fußgelenke an die Stuhlbeine zu fesseln.
»Na also«, sagte Sara munter und erhob sich.
Sie wedelte mit den restlichen Plastikstreifen in der Luft herum.
»Keine Idee? Kabelbinder. Supereinfach. Ich meine, wenn man damit umgehen kann. Unglaubliche Erfindung, wenn man sich das mal überlegt. Billig und einfach
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