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Gequält

Gequält

Titel: Gequält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Koppel
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Prügel von ihm bezogen. Deswegen hat er mich auch in der Schule beschützt. Damit außer ihm niemand das Vergnügen hat, mich zu verdreschen.«
    »Hör auf. Gleich kommen mir die Tränen.«
    »Du, das war wirklich alles andere als lustig.«
    »Warum hast du das dann nicht erzählt?«
    Matte sah sie an.
    »Was? Dass mein toter Bruder ein bösartiges Arschloch war, der es genoss, alle in seiner Nähe zu quälen?«
    »Ja.«
    »Wenn Mama eine Reportage will, soll sie sie haben.«
    »Dann hättest du dir ja was aus den Fingern saugen können.«
    »Was hätte ich denn sagen sollen? Dass ich jeden Tag an ihn denke und mich frage, was wohl aus ihm geworden wäre, wenn er am Leben geblieben wäre?«
    »In etwa.«
    »Aber das tue ich nicht. Als Mama mich gebeten hat, auch zu kommen, wusste ich erst gar nicht, von wem sie redet.«
    Sie verließen Höganäs, und Matte gab auf der Überholspur Gas.
    »Das sind Artikel für die Tränendrüse. Da muss man dick auftragen.«
    »Und wie kommt es, dass du dich damit so gut auskennst?«
    »Liebling, ich war ein Star.«
    »Richtig«, erwiderte Matte. »Ein Star, als du klein warst. Eine richtige kleine Tjorven.«
    Er lächelte einschmeichelnd, um der Ironie ihre Schärfe zu nehmen.
    »Du ahnst es nicht. Ich konnte tatsächlich kaum in die Stadt gehen.«
    »Ja, ja, schön, dass das vorbei ist. Und was machen wir jetzt?«
    »Jetzt fahren wir nach Bjuv und unterhalten uns mit Connys Freundin. Mal sehen, ob sie Licht in sein rätselhaftes Verschwinden bringen kann.«

10
    Calle nahm in der Abflughalle Platz und zog sein Handy aus der Tasche. Er wollte Jörgen anrufen und ihm von dem Taxifahrer und Robert Wells erzählen. Diese Anekdote durfte der Menschheit nicht verloren gehen, falls er mit dem Flugzeug abstürzte. Ein Mann ließ sich schwer und seufzend auf den Stuhl neben ihm fallen. Calle sah rasch zu ihm hinüber.
    »So ein Schwachsinn«, meinte der Mann und nickte Richtung Sicherheitskontrolle.
    Calle verstand nicht.
    »Ich stand hinter einem Piloten, der eine große Tube Zahnpasta abgeben musste. Was soll das? Er könnte die Maschine in jedes x-b eliebige Gebäude fliegen, aber wenn, dann bitte mit Mundgeruch?«
    »Absurd«, meinte Calle.
    Der Mann nickte resigniert.
    »Auf so einem winzigen Flugplatz wie diesem wirkt das ganz besonders lächerlich.«
    Calle wiegte den Kopf hin und her.
    »Ist aber auch nicht gerade der aufregendste Job, diese Plastikwannen hin- und herzuschieben.«
    Der andere sah ihn durchdringend an.
    »Da haben Sie recht«, meinte er. »Es ist nur, dass ich ständig von hier fliege und mir der Schwachsinn immer mehr auf die Nerven geht.«
    »Pendeln Sie?«, fragte Calle.
    »Ich wohne und arbeite in Stockholm, aber meine Eltern wohnen hier. Ich bin in Vejbystrand aufgewachsen.«
    Calle runzelte ratlos die Stirn.
    »Skälderviken«, sagte der Mann.
    Auch diese Information half Calle nicht weiter, und er lächelte entschuldigend.
    »Ich kenne mich in dieser Gegend nicht aus.«
    »Der Ort liegt bei Ängelholm an der Küste. Nichts Großartiges. Schön im Sommer. Eigentlich nur bekannt dafür, dass Richard Gere dort einmal bei ICA eingekauft hat.«
    Calle runzelte die Stirn. Noch einer, der auf Namedropping spezialisiert war? Hatten die Leute aus Schonen sie noch alle? Fühlten sie sich so unbedeutend?
    »Das war damals, als er beim Nacktbaden fotografiert wurde«, sagte der Mann. »Daran erinnern Sie sich vielleicht.«
    »Durchaus  … «
    Und ob Calle sich an die Bilder des Schauspielers erinnerte. Vor vielen Jahren hatte er mit einer jungen Schwedin nackt gebadet, was von einem ehrgeizigen Paparazzo verewigt worden war.
    »Das mit dem ICA war aber ein paar Tage vor den Fotos«, fuhr der Mann fort. »Meine Mutter kommt vom Laden nach Hause, lässt ihr Fahrrad in der Auffahrt fallen und rennt in die Küche. Einen Whisky, einen Whisky , ruft sie. Was ist los? , fragt mein Vater. Gib mir einen Whisky! Mein Vater holt die Flasche und füllt ein Glas. Meine Mutter leert es und verzieht das Gesicht. Dann schaut sie uns ernst an. Wisst ihr, wer im Laden hinter mir an der Kasse stand? Rick-ard Gä-rä! «
    Calle lachte etwas unsicher.
    »Was?«, sagte der Mann.
    »Nichts.«
    »Doch, sagen Sie schon.«
    Calle schüttelte den Kopf.
    »Nichts«, wiederholte er.
    Der Mann wirkte verunsichert.
    »Jetzt komme ich mir lächerlich vor«, sagte er.
    »Dazu haben Sie keinen Grund.«
    »Aber das ist so. War ich zu aufdringlich?«
    »Kein Problem.«
    »Doch, ich sehe es Ihnen an.

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