Gequält
schon eine gewisse Geistesverwirrung erforderlich, um so etwas Unbedachtes zu tun, und da ist Verliebtheit wahrscheinlich keine schlechte Vermutung. Matte?«
Sie drehte sich um, und er schaute von der Illustrierten auf.
»Wenn du bitte runtergehen und im Auto warten würdest, damit Mona und ich uns ungestört unterhalten können.«
Matte legte die Zeitschrift beiseite, erhob sich wortlos und ging.
»So«, sagte Sara, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Jetzt sind wir endlich allein und können uns richtig umeinander kümmern.«
Sie stand auf und trat ein paar Schritte in die Mitte des Zimmers, während sie nachdachte.
»Hast du eine Ahnung, wer es sein könnte? Jemand aus dem Bekanntenkreis? Eine leidenschaftliche Affäre mit einer deiner Freundinnen?«
Mona zog den Kopf zurück und drehte das Gesicht zur Seite, ohne Sara aus den Augen zu lassen.
»Hast du niemand im Verdacht? Jemand, den ihr kennt? Nicht? Was machst du eigentlich beruflich?«
»Ich putze«, antwortete Mona und war gezwungen, sich zu räuspern.
Sara nickte interessiert.
»Du putzt? Büros?«
Mona antwortete nicht.
»Reiche Leute?«, fragte Sara weiter. »Richtig, warte mal. Davon habe ich gehört. Conny hatte da so Ideen, aber du hast dich geweigert, die Codes rauszurücken. Daran erinnere ich mich. Konsequent, das muss ich schon sagen. Das ehrt dich. Arbeitest du morgen auch?«
Mona nickte.
»Gut«, sagte Sara, erhob sich und ging in die Diele.
Sie nahm ein Halstuch von der Hutablage und kehrte damit ins Wohnzimmer zurück.
»Ich muss sicherstellen, dass du nicht um Hilfe rufst, sobald ich die Wohnung verlasse. Ich gebe dir ein Messer, mit dem du dich dann später selbst befreien kannst, aber vorläufig musst du das hier im Mund haben.«
Sara machte zwei Knoten nebeneinander in die Mitte des Halstuchs und hielt es Mona vors Gesicht.
»Mund auf.«
Mona machte keine Anstalten, den Mund zu öffnen. Sara seufzte angestrengt.
»Du hast keine Wahl. Mund auf.«
Mona öffnete den Mund. Sara schob ihr die beiden Knoten in den Mund und band das Halstuch anschließend auf ihrem Hinterkopf zusammen.
»Das war doch nicht schwer? Jetzt muss ich nur noch ein Messer holen, damit du dich selbst befreien kannst.«
Sie baute sich vor Mona auf und betrachtete sie interessiert. Sie drückte den Daumen unters Kinn und trommelte mit dem Zeigefinger auf die Lippen.
»Eine Möglichkeit wäre natürlich auch, dass uns unsere Freunde von der Ordnungsmacht helfen.«
Mona verstand nicht. Sara ging um sie herum und stellte sich hinter sie.
»Nimm es nicht persönlich«, sagte Sara und tätschelte Mona zärtlich die Schulter. »Das hat nichts mit dir zu tun. Du bist nur zufällig dazwischengeraten.«
Als Mona das kalte Plastik auf ihrem Hals spürte und begriff, was geschehen würde, drückte sie ihr Kinn auf die Brust und warf sich mit dem Oberkörper hin und her, um sich zu befreien. Sara hob sie an den Haaren hoch, bis ihr Hals frei lag, und zog die Schlinge zu. Mona rang röchelnd nach Luft. Sara stützte sich mit den Knien an der Sessellehne ab und zog den Kabelbinder so fest wie nur möglich zu. Monas Gesicht änderte die Farbe und wurde hochrot. Sie schnaubte und warf sich verzweifelt hin und her. Sara musste den Sessel festhalten, damit er nicht umfiel.
»So, jetzt«, flüsterte sie in Monas Ohr. »Mir tut das mehr weh als dir. Jetzt ist alles gut. Alles wird gut, bald ist es vorbei.«
Mona schrie nach Luft, aber da waren weder ein Geräusch noch Sauerstoff. Die Augen weiteten sich, die Augäpfel drohten aus ihren Höhlen zu treten. Mona bäumte sich ein letztes Mal auf, ehe ihr Körper aufgab.
Sara ließ den Sessel los, ging um ihn herum und betrachtete die Leiche, als handele es sich um ein interessantes, aber schwer zu deutendes Gemälde. Monas starr gespreizte Finger zuckten ein letztes Mal.
Sara nahm die Illustrierte, in der Matte geblättert hatte, wischte die Türklinke ab und verließ die Wohnung.
12
Calle übertrug seine Notizen in den Computer. Margits eintöniger Sermon war recht substanzlos. Aus Matte hatte er auch nicht mehr rausgekriegt, als dass Kent ein klasse Typ war. Klasse war keine menschliche Eigenschaft, die sich für was anderes als kurz gefasste Machoäußerungen eignete. Zusammengenommen war das nicht einmal annähernd ausreichend, um das sentimentale Porträt eines Jungen zu zeichnen, der das Pech gehabt hatte, im Alter von nur dreizehn Jahren einem Verkehrsunfall zum Opfer zu fallen.
Calle brauchte
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