Gequält
Tresen um.
»Inwiefern?«, fragte Matte.
»Mir blieb nichts anderes übrig. Sie hätte uns angezeigt, und wir wären wegen dieser Bagatelle hinter Gitter gekommen. Begreifst du das denn nicht?«
»Wir hätten uns damit begnügen können, bei ihr anzuklopfen.«
»Das haben wir auch getan. Und als niemand aufgemacht hat, sind wir reingegangen. Ihr Pech, dass sie ausgerechnet da nach Hause kommen musste.«
»Sie kannte uns nicht einmal. Das war nicht okay.«
»Schon möglich, aber wir können keine Zeugen hinterlassen. Leichen meinetwegen, aber keine Zeugen.«
Matte schwieg, und Sara atmete mit einem deutlichen Seufzer aus und rempelte ihn dann mit der Schulter an.
»Du fehlst mir«, sagte sie. »Das Bett ist sehr groß und leer, wenn du nicht da bist.«
Matte schüttelte sich.
»Komm schon«, sagte Sara. »Wir müssen miteinander reden können. Solche Sachen dürfen nicht zwischen uns stehen. Morgen gehen wir ins Kino. Du darfst den Film aussuchen.«
23
»Robert Wells«, schrie Jörgen und haute sich auf die Knie. »Einfach wunderbar, herrlich. Noch einmal.«
»Letzten Sommer war Robert Wells hier«, wiederholte Calle Collin im Schonendialekt des Taxifahrers.
»Gott, wie lustig, ganz fantastisch. Da müssen wir hinziehen. Wie hieß der Ort?«
»Höganäs.«
Jörgen nickte im Takt zu »I will survive«.
»Und sonst? Zufrieden mit dem Interview?«
»Unbedingt. Genauer gesagt war es eine Katastrophe, aber der Text ist okay. Der Bruder war auch da, ein richtiger Gangster. Er ist mit einer Nachtclubkönigin aus Kopenhagen liiert. Richtig unangenehme Frau.«
»Wieso?«
Calle zuckte mit den Achseln.
»Weiß nicht. Sie hat mir Angst eingejagt.«
»Ich dachte, dir könnte nichts Angst einjagen«, sagte Jörgen und betrachtete die Menge, die überwiegend aus durchtrainierten jungen Männern bestand.
»Übrigens«, meinte Calle, »du weißt schon, deine Nachbarn auf dem Land, die uns zu dem Glas Wein eingeladen haben.«
»Bengt und Åsa?«
»Ja. Ihr Sohn ist mit Kent in eine Klasse gegangen.«
»Wer ist Kent?«
»Der Verstorbene, dessen Mutter ich interviewt habe.«
»Der Tote ging also in dieselbe Klasse wie Anders Malmberg?«
»Ja, und ich habe mir sagen lassen, dass sie nicht unbedingt die besten Freunde waren. Jedenfalls hat Kents Lehrerin das angedeutet.«
»Du hast dich mit der Lehrerin dieses Jungen unterhalten?«
Calle nickte.
»Ich hatte gehofft, dass sie was Nettes über ihn sagen würde. Das tat sie nicht.«
»Er war also eine Nervensäge?«, fragte Jörgen.
»Scheint so. Wahrscheinlich haben deine Freunde auch deswegen kein Wort über ihn verloren, nachdem ihnen klar war, wen ich meinte. Weil sie nichts Gutes über ihn zu sagen hatten.«
»So könnte es gewesen sein«, meinte Jörgen desinteressiert, während er sich umschaute. »Ist dieser Song nicht ein wenig gay? I’ve got all my life to live, I’ve got all my love to give … «
Calle sah ihn an, als wäre er nicht ganz bei Trost.
»Ein wenig? Das ist die Nationalhymne.«
Jörgen strahlte.
»Ich mag Schwulenbars. Sie sind so … «
Er unterbrach sich mitten im Satz, sah an Calle vorbei, drückte die Brust raus und lächelte dümmlich.
»Ja, wie denn?«
Jörgen hörte nicht zu, sondern flirtete mit jemandem hinter Calles Rücken.
»Jetzt reiß dich aber verdammt noch mal am Riemen«, sagte Calle und drehte sich um, um zu sehen, für wen sein Heterofreund schwul spielte.
Der Mann wirkte bekannt, aber Calle konnte ihn nicht einordnen.
»Darf ich mich zu euch setzen?«, fragte er mit schonischem Dialekt.
»Natürlich«, meinte Jörgen und schlug die Beine übereinander. Vermutlich hielt er das für eine verführerische Pose.
Der Mann wandte sich an Calle.
»Flugplatz Ängelholm«, sagte er, ohne sich zu setzen.
»Richtig«, sagte Calle. »Richard Gere.«
Der Mann streckte seine Hand aus, und Calle schüttelte sie.
»Hallo. Ich heiße David.«
»Richard Gere?«, fragte Jörgen.
Calle schüttelte den Kopf.
»Lange Geschichte.«
»Nicht wirklich«, meinte David. »Ich habe erzählt … «
»Calle.«
»Ich habe Calle erzählt, dass meine Mutter im Lebensmittelladen bei uns zu Hause in Vejbystrand Richard Gere begegnet ist. Darauf hielt Calle mich für einen dieser Irren, denen Namedropping ganz wichtig ist.«
»Das stimmt so nicht ganz«, meinte Calle.
David sah ihn provozierend an.
»Nicht? Wie war es dann?«
Calle dachte nach.
»Du hast recht«, sagte er. »Es stimmt. Aber das lag nur daran, dass mir
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