Gequält
glaube, da schreibt jemand was über dich.«
»Wer?«
»Anders Malmberg. Die Glosse auf der letzten Seite. Aber ich muss dich warnen. Es ist nicht nett.«
30
Åsa Malmberg hängte ihren Mantel auf einen Bügel, wechselte ein paar beiläufige Worte mit einem Kollegen und ging dann in ihr Büro. Sie legte ihre Handtasche auf den Schreibtisch, nahm Platz und weckte ihren Computer aus seinem digitalen Schlummer.
»Alles wird gut«, murmelte sie.
Dieses stille Flehen hatte sie einen großen Teil ihres erwachsenen Lebens begleitet, eine abgedroschene Phrase, von der sie sich aus Aberglauben nicht zu trennen wagte.
Sie leitete den Tag mit einem langen, einfühlsamen Brief ein. Eine Ablehnung zwar, aber auf eine sympathische und hoffentlich ermunternde Art, also fast wie eine Zusage. Die junge Frau, die das Manuskript eingesandt hatte, würde definitiv früher oder später etwas veröffentlichen. Aber was sie jetzt geliefert hatte, war noch nicht ganz fertig. Åsa hoffte, dass die labile Frau, die meisten schreibenden Menschen waren Nervenwracks, die Nachricht richtig verstehen würde.
Anschließend rief sie den Zeitungsmann an und überbrachte ihm eine ähnliche Botschaft. Der Zeitungsmann hatte sich während einer Einladung an Åsa rangemacht. Das war eher die Regel als die Ausnahme. Åsa konnte sich nirgends hinsetzen, ohne von Leuten belästigt zu werden, die sich berufen fühlten und rein zufällig das eine oder andere zu Hause in der Schublade liegen hatten.
Wie vermittelte man solchen Leuten am geschicktesten, dass sie sich zum Teufel scheren sollten, ohne sie zu sehr gegen sich aufzubringen?
Der Zeitungsmann schrieb natürlich normalerweise keine Bücher, auf keinen Fall, das war so ganz nebenher entstanden und unerklärlicherweise bislang weder angenommen noch herausgegeben worden.
»Jetzt habe ich es gelesen«, sagte Åsa fröhlich, nachdem sie ihren Namen genannt hatte. »Es hat mir in vielerlei Hinsicht durchaus gefallen.«
Sie zog Anrufe vor, weil sie verlogene Stellungnahmen ungern schwarz auf weiß lieferte. Dafür musste sie sich ihre Worte sehr genau überlegen und durfte nicht zu positiv rüberkommen. Wenn sie unvorsichtig war, schlug der Zeitungsmann womöglich vor, das Buch umzuschreiben, und Åsa hatte keine Lust, den Unsinn mehrere Male zu lesen.
»Das Problem ist eher, dass bei uns bereits ähnliche Bücher eingeplant sind. Ich meine, Bücher mit demselben Thema.«
Mit geschlossenen Augen hörte sie sich die Einwände und Vorschläge für Alternativlösungen an. Åsa tat der Zeitungsmann leid. Während der Lektüre seines pointenlosen Textes hatte sie einen Augenblick lang erwogen, ihm die Wahrheit zu sagen, dass seine Liebe zum Schreiben, trotz seines Berufs, unerwidert blieb und dass ihm ganz offenbar das Zeug zum Schriftsteller fehlte.
»Nein, nein«, sagte Åsa stattdessen, »es war überhaupt nicht schlecht, ganz und gar nicht.«
Gewissermaßen sagte sie damit die Wahrheit. Es war nicht schlecht, es war lausig.
»Sie haben das gewisse Etwas«, fuhr sie fort und spürte, dass ihre Nase immer länger wurde. »Wissen Sie was, an Ihrer Stelle würde ich es bei einem anderen Verlag versuchen.«
Das war regelrecht niederträchtig, würde es doch nur zu weiteren Monaten voller falscher Hoffnungen auf seiner Seite führen.
»Wir müssen dieses Mal leider dankend ablehnen.«
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich will ja nur nett sein.
»Aber vielen Dank, dass ich das Buch lesen durfte.«
Bitte belästigen Sie mich nicht wieder.
Sie beendete das Gespräch und legte auf. Åsa hatte Tausende undruckbare, viel zu private Geschichten abgelehnt, die fast ausnahmslos von jungen Männern geschrieben worden waren, deren unglückliche Jugendjahre offenbar nur mit einem schwermütigen Entwicklungsroman bewältigt werden konnten. Nicht das Schreiben interessierte diese Männer, sondern der Ruhm und der Schriftstellerstatus. Die meisten von ihnen erwartete bestenfalls eine Handvoll freundlicher Rezensionen, vielleicht auch Interviews, vielleicht auch ein paar Minuten im Fernsehen, alles über einen so großen Zeitraum verteilt, dass es keinem von ihnen vergönnt war, den Ruhm zu genießen, ehe er schon wieder verflogen war. Sobald sich das allgemeine Interesse verflüchtigte und das Rampenlicht andere beschien, stellten sich Verzweiflung und Bitterkeit ein. Je größer die anfängliche Aufmerksamkeit, desto härter der Rückschlag, wenn sie später ausblieb.
Åsas Handy klingelte. Sie zog
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