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Gequält

Gequält

Titel: Gequält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Koppel
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auf die Armlehne, dann hob er ihn über den Kopf und warf ihn über zwei Bankreihen.
    Matte setzte sich. Sara reichte ihm sein Handy.
    »Jetzt noch mal von Anfang an, Mama. Und bitte langsamer, damit ich dich verstehe.«
    Die Freundin des abservierten Kinobesuchers packte ihre Sachen zusammen und verließ den Saal. Sara nahm sich eine Handvoll Popcorn aus dem Kübel.

34
    Fast alle Beschlüsse in Conny Bladhs kurzem Leben waren unüberlegt, überstürzt und dumm gewesen. Falsch, um es unumwunden zu sagen. Es gab keinen Grund, sich was anderes einreden zu wollen, jetzt, wo ohnehin bald alles vorbei war. Wenn er auf sein Leben zurückblickte, sah er nur unablässiges Versagen. Er hatte nichts zustande gebracht. Ein paar Lacher hier und da, einzelne Situationen und Augenblicke. Die meisten waren schon eine Sekunde später vergessen gewesen.
    Er ließ nichts zurück, nicht einmal eine trauernde Lebensgefährtin. Mona hatte alles für ihn getan, sie war trotz seiner Exzesse immer für ihn da gewesen. Ein letzter Nothafen. Seine einzige Sicherheit. Wozu auch immer das gut war.
    Er war nicht abgehauen, um sie zu schonen. Es war nicht der hehre Gedanke gewesen, ihr sein langsames Dahinsiechen zu ersparen, der ihn dazu veranlasst hatte, das Geld zu nehmen und das Land zu verlassen. Er wollte einfach nur saufen und ficken, sich so tief in den Sumpf begeben, wie es nur menschenmöglich war, bis ihn die Schmerzen übermannten. Dann würde er in ein Hotel gehen, das Bitte-nicht-stören-Schild außen an die Klinke hängen und seinem Leben auf eine passende Art ein Ende machen. Vielleicht sollte er sich vorher seines Ausweises entledigen, um der Polizei und den Behörden noch ein letztes Mal ein Rätsel aufzugeben. Das war kein schlechter Gedanke. Schließlich war das seine Aufgabe im Leben gewesen. Keine dankbare Rolle, aber wichtig für das Gleichgewicht in der Gesellschaft. Ohne ihn konnte sich der Durchschnittsschwede nicht in die Brust werfen und für etwas Besseres halten. Ohne ihn wäre die Welt schwerer zu verstehen.
    Er wollte mit einem Knall sterben. Connys Vater war langsam dahingeschwunden. Der starke und gefürchtete Mann hatte sich im Laufe zweier Jahre in eine kümmerliche, lächerliche Figur verwandelt. Das war kein wünschenswerter Verlauf. Krank war man insgeheim.
    Der erste Stopp war die Reeperbahn. Conny war als Teenager einmal dort gewesen, und das Wiedersehen enttäuschte ihn. Sie hatte sich in eine Touristenattraktion verwandelt. Conny fragte sich ernsthaft, ob die Nutten von der Stadt bezahlte Schauspielerinnen waren. Er nahm ein Taxi in ein abgelegenes Bordell. Die Frau wusch sich mit einem nassen Handtuch zwischen den Beinen und rieb sich dann mit Gleitcreme ein. Als er in sie eindrang, begann sie wenig glaubwürdig zu stöhnen. Trotzdem funktionierte es. Conny bewegte sich immer aggressiver, bis er kam, und war in diesem Augenblick von seiner eigenen Unsterblichkeit überzeugt. In der nächsten Sekunde übermannte ihn eine große Leere.
    Als sie sich verabschiedeten, befielen Conny Zweifel, ob seine geplante Abschiedstournee eine sonderlich gute Idee gewesen war. Aber er hatte keine wirkliche Alternative, nachdem er der Dänin einen Sack mit Geld geklaut hatte. Er überlegte, was Henk wohl dachte. Wenn er die Nachricht von seinem Tod erhielt, würde er ihn verstehen. Dann würde alles in einem anderen Licht erscheinen.
    Conny nahm sich in einem Hotel in der Nähe ein Zimmer, aber seine Magenschmerzen zwangen ihn, die halbe Nacht auf der Toilette zuzubringen. Die Tabletten, die ihm der Arzt verschrieben hatte, halfen vorübergehend, machten ihn aber müde.
    Am nächsten Morgen fühlte er sich besser. Er kam ohne größere Schwierigkeiten nach Köln. Hier trank er eine Unmenge Bier aus kleinen Gläsern und lernte die nächste Frau kennen, die ihn sogar anlächelte und im Bett liegen blieb, während er verschnaufte. Conny hätte sie fast gefragt, ob sie ihn nicht nach Spanien begleiten wolle. Sie könnten Sangria in der Sonne trinken und sich einen Nachmittagsfick in einem kühlen Hotelzimmer gönnen, ehe sie irgendwo Tapas essen gingen. Aber dann erhob sie sich aus dem Bett, und Conny sah, dass ihrem Körper jede Spannkraft fehlte. An jeder Straßenecke konnte er eine bessere auflesen. Warum überhaupt sich nur mit einer begnügen, wo die Zeit ohnehin begrenzt war? Eine Frau machte einem nur Scherereien. Monas ewiges Gerede von Thailand. Warum hätte er sie dorthin mitnehmen sollen, bei der unendlichen

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