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Gerade noch ein Patt

Gerade noch ein Patt

Titel: Gerade noch ein Patt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert N. Charrette
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hörte, einen Ursprung hatte. Er hatte es für einen mechanisch verursachten Lärm gehalten, vielleicht für das Rattern eines großen Ventilators. Doch jetzt sah er die Ursache des Lärms durch eine Lücke zwischen den Häusern auf der Zwölften Straße.
    Leute! Tausende von Leuten drängten sich auf der Promenade. Überall herrschte Bewegimg. Aber dies war keine gewöhnliche Menschenmenge - auf der Promenade standen Zelte und provisorische Baracken, und diese Leute schienen darin zu wohnen. Was ging hier vor?
    Fasziniert ging er um die Ecke und ein paar Schritte weiter. Das Westende der Promenade war mit Zelten, Baracken aus Pappe und Plastik und Hütten aus Altmetall übersät. Eine riesige schmutzig-weiße Plane bedeckte die sanfte Erhebung des Denkmalplatzes und sah aus wie ein Haufen schmutziger Schnee, der gegen das Fundament des Washington Monument gefegt worden war. Unmöglich zu sagen, wie weit sich der improvisierte Slum noch erstreckte. Es war, als sei die schäbigste Gegend der Barrens hierher in die Mitte Washingtons versetzt worden. Es war unglaublich -aber Lärm, Anblick und Gestank waren real!
    Die Zwölfte Straße schien eine Art Grenze zu sein. Die Polizei hatte Gatter an der Ostseite aufgestellt, und Beamte in leichten Körperpanzern bewachten den improvisierten Zaun. Die dunkle Gestalt eines Citymaster- Anti-Aufruhr-Fahrzeugs stand auf dem Rasen wie eine Art Wach-Ungeheuer. Einen Polizisten zu finden, war einer von Andys sehnlichsten Wünschen gewesen, aber dies hatte ihm dabei nicht vorgeschwebt.
    »Was ist los? Wer sind diese Leute?« fragte sich Andy laut.
    »Du warst zu sehr in deinen Konzern-Kokon gehüllt, wenn du nicht weißt, daß diese Leute hier sind«, sagte ZauberMann. »Es sind Wanderer, Bettler, Träumer, Diebe, Idealisten, Unruhestifter, ehrliche Leute, Heimatlose und Hoffnungslose. Wie auf die meisten Leute trifft auf einige mehr als nur eine dieser Bezeichnungen zu. Die meisten wollen Gerechtigkeit, ein paar haben Angst davor, und manche sind nur auf eine Schlägerei aus. Vielleicht gibt es ebenso viele Gründe dafür, hier zu sein, als Leute hier in den Winkeln und Nischen des Betons lagern. Es wäre nicht weiter überraschend.«
    Andy fühlte sich, als schaue er durch ein Fenster in eine fremde Welt. Er hatte vorgehabt, den üblichen Eingang zur Metro zu nehmen, denjenigen auf der Promenade, aber der lag bereits innerhalb der Zeltstadt. So viele schmutzige, abstoßende Leute auf einem Haufen ängstigten ihn, und er fürchtete sich ein wenig, zu dem Eingang zu gehen.
    Auf der anderen Seite der Independence war ein weiterer Eingang. Er würde ihn nicht direkt zu dem Bahnsteig führen, von dem sein Zug fuhr, aber das schien im Augenblick nicht so wichtig zu sein. Er ging über die Straße, ohne auf Autos zu achten, und rannte fast zum Eingang der Metro-Station. Die Rolltreppe funktionierte nicht, aber das war nichts Ungewöhnliches. Er nahm die ersten Treppenstufen im Laufschritt, bevor ihm auffiel, daß die Treppe keineswegs leer war.
    Hier in der Enge des Metro-Eingangs drängten sich die Leute ebenso dicht wie ihre Doppelgänger zwischen den Zelten und Baracken. Die Masse regte sich, als Andy in sie eintauchte. Blutunterlaufene Augen starrten ihn aus Deckenbündeln an. Ausgemergelte Gesichter wandten sich in seine Richtung. Sie mußten schon länger hier sein: Es stank hier wie in einer Kloake.
    Aber die Metro und seine Fluchtmöglichkeit aus der Innenstadt lagen jenseits von ihnen. Entschuldigungen an die Adresse jener murmelnd, die er störte, arbeitete Andy sich die Stufen der Rolltreppe hinunter. Er sah niemandem in die Augen, mied jeden Kontakt.
    Auf halbem Weg nach unten fiel ihm plötzlich auf, daß ZauberMann verschwunden war. Wenngleich Andy den Schamanen hatte loswerden wollen, ängstigte ihn seine plötzliche Abwesenheit doch. Der Schamane war zwar verdreht gewesen, aber auch freundlich. Die meisten der auf Andy gerichteten Blicke waren gleichgültig, aber manche - viele - waren auch feindselig. Er fühlte sich wie unter wilden Tieren.
    Jemand streckte die Hand aus, strich über seinen Rücken, zupfte an seiner Jacke. »Schicker Anzug.«
    Andy nahm die nächsten drei Stufen auf einmal.
    »Hey, Pinkel«, sagte eine heisere Frauenstimme. »Hast du Angst, so ganz alleine hier unten?«
    Andy konzentrierte sich darauf, das Ende der Rolltreppe zu erreichen.
    Ein Haufen in einer Ecke entfaltete sich zu einem graubärtigen Mann, als Andy sich dem Fuß der Rolltreppe

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