Geräusch einer Schnecke beim Essen
Ängsten geführt.
VIERTER TEIL
Das kulturelle Leben
[Schnecken sind] mit den lebenswichtigen und zur
Sinneswahrnehmung erforderlichen Organen
in hinlänglicher Vollendung ausgestattet; sie werden
geschützt von einer Rüstung, welche leicht und
zugleych hart ist; sie sind so rührig, wie ihre Bedürfnisse
es erfordern; und sie haben ausgeprägtere Gelüste als
andere Thiere… Kurz gesagt, sie sind ein fruchtbarer,
fleißiger Tribus… [Sie haben] ihre Flucht-
und Angriffsfähigkeiten, ihre Beschäfftigungen und
Animositäten.
Oliver Goldsmith, A History of the Earth and Animated Nature , 1774
11 . Einsiedlerkolonien
Wo sie auch wohnt, wohnt sie alleyn
Hat nur sich selbst, nicht Schrank noch Schreyn,
Ihr gantzer Schatz sich selbst zu seyn
Genügt ihr.
William Cowper, The Snail [Die Schnecke] , 1731
Da mir eine allein aus Champignons bestehende Ernährung zu monoton erschien, bereitete ich meiner Schnecke eine Mischung aus durchfeuchteter Maisstärke und Maismehl zu. Ich folgte damit einer Empfehlung aus einer Broschüre, die ich vom örtlichen Cooperative Extension Office zugeschickt bekommen hatte. Ein großer Fehler: Meine Schnecke überfraß sich. Fast taumelnd kletterte sie die Wand des Terrariums hinauf. Und dort oben blieb sie dann, unverkennbar mit Verdauungsproblemen geschlagen, stundenlang sitzen und sonderte aus sämtlichen Körperöffnungen Ausscheidungen ab.
Ich machte mir furchtbare Sorgen. Wie, so fragte ich mich ganz egoistisch, sollte ich meine Krankheit überstehen, falls sich meine Schneckengefährtin nicht von ihrer Maisstärkenvöllerei erholte? Es war eine elende Nacht für uns beide, und ich beschloss, ihr ab jetzt nur noch Natürliches zu fressen zu geben. Am nächsten Morgen stellte ich erleichtert fest, dass die Schnecke wieder ganz normal im Terrarium herumkroch, und bald legte sie sich, wie es ihre Gewohnheit war, an einem Plätzchen im weichen Moos schlafen.
Eine Waldschnecke fühlt sich in der weichen Schicht aus organischen Abfällen, altem Laub und Mulm, die den Waldboden wie ein Teppich bedeckt, am wohlsten. Schnecken nehmen eine spezifische Nische im Ökosystem ein: Sie gelten als Reduzenten, da sie sich hauptsächlich von totem Material ernähren, dabei Wasser und Mineralien freisetzen und diese wieder dem Boden zuführen. Ein spezielles Enzym ermöglicht es ihnen, Zellulose zu verdauen, was die Vorliebe meiner Schnecke für Papier erklärt. Einheimische Waldschnecken fressen nur selten lebende Pflanzen, und wenn, dann sind es meist ältere, welkende Blätter. Viele Spezies mögen Algen und futtern glücklich und zufrieden Pilze, auch solche, die für Menschen giftig sind. Das Myzel – die unterirdisch wachsenden Pilzfäden – gehört zu ihren Lieblingsspeisen.
Die Nahrungssuche der Schnecken ist ein komplexer Vorgang; sie variieren ihre Ernährung, um sich ausgewogen mit Nährstoffen zu versorgen. Zwei Schnecken derselben Art am selben Ort können sich ein unterschiedliches Menü zusammenstellen. Unbekannte Nahrung fasziniert und lockt sie, aber sie sind vorsichtig: Erst untersuchen sie sie mit den unteren Fühlern, dann kosten sie ein klein wenig davon. Wenn keine unerwünschten Nebenwirkungen auftreten, kommen sie wieder und fressen eine größere Portion.
Auch Erde gehört zur Nahrung der Schnecke, sie enthält wichtige Nährstoffe wie Kalzium, das nicht nur zur Bildung und Reparatur des Gehäuses nötig ist, sondern auch zur Eiproduktion. Dieser Mineralstoff ist von solch entscheidender Bedeutung, dass die Schnecke nach derzeitigem Wissensstand als einziges Landlebewesen in der Lage ist, ihn über den Geruchssinn aufzuspüren. Als meine Pflegerin ein Häuflein zerdrückte Eierschalen ins Terrarium legte, wedelte meine Schnecke so schnell wie nur schneckenmöglich mit den Fühlern und machte sich sofort auf den Weg, um die Eierschalen zunächst zu untersuchen und dann zu fressen. Die Stelle mit den Eierschalen war von da an einer ihrer bevorzugten Aufenthaltsorte.
Auch die Muschelschale mit dem Wasser war einer ihrer Lieblingsplätze. Normalerweise trank sie einfach aus dem flachen Becken, aber manchmal stieg sie auch hinein, schmiegte ihren Fuß an die ungleichmäßige Oberfläche der perlmuttfarbenen Schale und absorbierte das Wasser direkt durch die Haut.
Aktiv sind Schnecken vor allem ab Einbruch der Dunkelheit, wenn es kühler wird, und tagsüber nach einem kräftigen Regen, wenn die Feuchtigkeit die Fortbewegung vereinfacht und die Pilze
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