Geräusch einer Schnecke beim Essen
sprießen lässt. Meine Schnecke war auch in der Wohnung an regnerischen Tagen aktiver als sonst. Als sie noch im Blumentopf lebte, muss sie, wenn ich die Veilchen goss, sehr erstaunt über diese örtlichen Regenschauer gewesen sein, die nie neue Vegetation oder neue Pilze hervorbrachten.
In der freien Natur entfernen sich die Schnecken meistens mit der Windrichtung von ihrem Tagesversteck und finden am nächsten Morgen dorthin zurück, indem sie vertrauten Gerüchen folgen. Bei ihren Erkundungszügen auf der Kiste hatte die Schnecke diese Fähigkeit, nach Hause zurückzufinden, täglich eingesetzt, um zu dem Blumentopf, dem einzig akzeptablen Schlafplatz, zurückzukehren. Das Terrarium hingegen bot ihr zahlreiche Verstecke, und sie nutzte sie alle.
Ältere Schnecken suchen in einer Nacht vielleicht in einem Umkreis von mehreren Quadratmetern nach Nahrung, jüngere dagegen dehnen ihre Streifzüge durchaus fünfmal so weit aus, auf der Suche nach neuen Futterquellen oder einem Gebiet, in dem sie eine eigene Kolonie bilden können. Viele Schnecken verbringen ihr ganzes Leben so nah dem Ort, wo sie geschlüpft sind, dass der Botaniker A. D. Bradshaw einmal anmerkte: «Ich muss sagen, Sie haben mich davon überzeugt, dass es sich [bei dieser Schneckenart] um eine Pflanze handelt.»
Schneckenkolonien werden oft durch die natürlichen Gegebenheiten des Geländes, auf dem sie sich befinden, begrenzt. Das Mikroumfeld einer Schneckenart kann sehr standortspezifisch sein, ein Hügel etwa oder ein Tal oder sogar ein Haufen Laub, der an einem liegenden Baumstamm zusammengeweht wurde, oder ein feuchter Bereich zwischen Felsen. Die Populationen können hundert Tiere umfassen, jedoch auch viel kleiner sein oder, wenn sich ein bestimmtes Gelände über mehrere Kilometer erstreckt, viel größer. Ich stellte mir eine Kolonie von Einsiedlern vor, die nachts jeder für sich auf Nahrungssuche gingen und tagsüber von den anderen abgeschieden schliefen.
Wenn ich daran dachte, welche Entfernung meine Schnecke im Verhältnis zu ihrer Größe zurücklegen konnte, erschien mir meine eigene Bewegungslosigkeit umso krasser. Und mein Leben wurde allmählich fast so einsam wie das meiner Schnecke. Die Monate verstrichen, und meine Freunde fanden es zunehmend schwierig, sich am Wochenende Zeit für die lange Fahrt zu mir zu nehmen. An vielen Tagen sah ich nur meine Pflegerin für je eine halbe Stunde zu den Mahlzeiten – ich war mehr und mehr von der Welt abgeschnitten.
Mein Bett war eine Insel im trostlosen Meer meines Zimmers. Doch ich wusste, dass es in Dörfern und Städten auf der ganzen Welt noch andere Menschen gab, die durch Krankheit oder Verletzung ans Haus gefesselt waren. Und wie ich da in meinem Bett lag, fühlte ich mich mit ihnen allen verbunden. Auch wir waren eine Kolonie von Einsiedlern.
12 . Mitternachtssprung
Du kleine Schnecke
Eben noch zu mir gewandt
Wohin als nächstes?
Kobayashi Issa ( 1763 – 1827 )
Ich erinnere mich an einen Sommer, in dem es mir noch besser ging. Mitten in einer schwülen Nacht erwachte ich, weil ich Durst hatte. Mit fast geschlossenen Augen, um dem Schlaf möglichst nah zu bleiben, ging ich barfuß über den Holzboden zum Wasserhahn in der Küche.
Plötzlich hing ich in der Luft, die Beine mit angezogenen Knien unterm Nachthemd, mein Körper ganz von selbst in die Höhe geschnellt. Einen ausgedehnten Moment lang verharrte ich so, meine Gedanken – nicht ganz so flink – noch auf das Wasser gerichtet.
Ich war auf eine Nacktschnecke getreten.
Ich landete wieder auf den Füßen, jetzt hellwach, und kam schnell darauf, warum hier eine Nacktschnecke unterwegs war. Jasione, meine orangerote Maine-Coon-Katze, hatte tagsüber vermutlich an einem kühlen feuchten Plätzchen im Garten ein Nickerchen gehalten. Und wie es gelegentlich vorkam, war in ihrem feinen weichen Fell eine Schnecke hängengeblieben. Gut getarnt war sie auf ihrem Katzenreittier ins Haus getrabt. Jasione war es dann wohl bei ihrem abendlichen Putzritual gelungen, sie aus ihrem Fell zu entfernen. Einer Spinne hätte sie einen Hieb verpasst und sie gefressen, aber die durch ihren Schleim geschützte Schnecke wurde lebend entsorgt.
Nach Sonnenuntergang wurde es feuchter im Haus, und die Bedingungen für die gastropodische Fortbewegung verbesserten sich. Die Nacktschnecke kroch gemütlich über den Fußboden, ohne zu ahnen, dass ich, ein großes Säugetier, mich ihr im Dunkeln näherte. Obwohl sie selbst weniger als
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