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Geräusch einer Schnecke beim Essen

Geräusch einer Schnecke beim Essen

Titel: Geräusch einer Schnecke beim Essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Tova Bailey
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haben, und andere, die zwei oder mehr dieser Liebespfeile in ihrem Pfeilsack tragen. In seiner Practical Biology merkt T. H. Huxley an: «Mit dem spiculum amoris … liegt uns ein Gebilde vor, wie es im gesamten Thierreich kaum seinesgleichen findet.»
    Allerdings kann es auch vorkommen, dass eine Schnecke durch den «Beschuss» mit einem Liebespfeil traumatisiert wird und das Paarungsvorspiel abbricht. Die Pfeile sind für die eigentliche Paarung nicht erforderlich und bei weniger als einem Drittel der Schnecken zu finden. Man nimmt an, dass der Liebespfeil ein Sekret überträgt, das spezielle Pheromone enthält, die eine bessere Speicherung der erhaltenen Spermien ermöglichen.
    Eine Liebesbegegnung zwischen zwei Schnecken kann insgesamt bis zu sieben Stunden dauern und umfasst drei Phasen. Die erste Phase ist die der ausgedehnten Liebeswerbung, bei der sich die beiden Schnecken einander langsam nähern, sich umkreisen, regelrecht schmusen und sich mit den Fühlern berühren. Wenn sie doch keinen rechten Gefallen aneinander finden, beenden sie ihre Liebesaffäre, ansonsten kommt es bei manchen Arten nun zum Einsatz der Liebespfeile.
    In der zweiten Phase «umarmen» sich die Schnecken spiralförmig und begatten sich. Bei manchen Schneckenarten tauschen die beiden Tiere Samen aus, bei anderen übernimmt eine Schnecke den männlichen und eine den weiblichen Part, und beim nächsten Mal wechseln sie ihre Rolle. Anscheinend ist es nicht immer einfach, ein Zwitter zu sein: Wenn zwei Schnecken einer Spezies, bei der die Geschlechterrollen verteilt werden, gleichzeitig dieselbe Rolle übernehmen wollen, kann es zu einem Konflikt kommen. Wenn alles gutgeht, werden die Samenzellen innerlich oder äußerlich übertragen, bei manchen Schneckenarten in kunstvoll gestalteten Paketen, den sogenannten Spermatophoren.
    Auf die Vereinigung folgt die dritte Phase, in der die beiden Schnecken ruhen; immer noch nah beieinander liegend, ziehen sie sich in ihr Gehäuse zurück und bleiben reglos so liegen, manchmal einige Stunden lang. Die eigentliche Befruchtung erfolgt, unabhängig von der Paarungsmethode, innerlich, nachdem sich die Partner längst getrennt haben.
    Jetzt verstand ich, warum in Highsmiths Geschichte Der Schneckenforscher Mr. Knopperts «Frau sich vor Peinlichkeit wand», wenn er «seinen interessierten, häufiger jedoch schockierten Freunden und Gästen… die Biologie der Schnecken [schilderte]». Selbst Durrell ist so überrascht von dem, was er sieht, dass er seinen Mentor, den Biologen und Zoologen Theodor Stephanides zu Rate zieht. Durrells Bruder Lawrence, bis dahin von naturgeschichtlichen Diskussionen eher gelangweilt, zeigt plötzlich Interesse:
     
    «Großer Gott», sagte Larry hitzig. «Das find ich aber ungerecht. Ganze Büsche voll mit diesen ekelhaften schleimigen Biestern, die einander verführen wie verrückt, und dann haben sie auch noch das doppelte Vergnügen dabei. Warum ist uns das nicht vergönnt? Das interessiert mich.»
    «Na ja… aber dann müßten Sie auch Eier legen», bemerkte Theodor.
    «Stimmt», sagte Larry, «aber was für eine großartige Ausrede, sich Cocktailparties zu entziehen – es tut mir wirklich sehr leid, könnte man sagen, ich muß auf meinen Eiern sitzen.»
    Theodor gab einen kleinen Pruster von sich.
    «Aber Schnecken sitzen gar nicht auf ihren Eiern», erklärte er. «Sie vergraben sie in feuchter Erde und überlassen sie sich selbst.»
    «Die ideale Art, seine Kinder großzuziehen», fiel Mutter unerwartet, jedoch mit innerer Überzeugung ein. «Ich wünschte, ich hätte euch alle irgendwo in feuchter Erde vergraben können, um euch euch selbst zu überlassen.»
     
    Vielleicht war Geralds Mutter noch von einem anderen Privileg der gastropodischen Elternschaft beeindruckt: Eine Schnecke kann die Spermien ihres Partners mehrere Monate – wenn nötig, sogar Jahre – in sich tragen und sie erst dann befruchten und die Eier legen, wenn die äußeren Bedingungen günstig sind. Meine Schnecke hatte vermutlich entweder zu Frühlingsbeginn oder schon im Jahr zuvor ein Rendezvous gehabt. Eine Umgebung, in der es keine Räuber, aber stets einen Vorrat an großen Champignons und frischem Wasser gab, bot genau den richtigen Anreiz für eine angehende Schneckenmutter, ihre Eier abzulegen.
    Gemeinhin werden die Eier in mehreren Gelegen von je dreißig bis fünfzig Stück unter der Erde abgelegt. Möglicherweise hatte meine Schnecke nur so wenige Eier gelegt und diese auf statt

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