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Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Titel: Geraeuschkiller - Mutige Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Severini
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Stimmengewirr an. Die Halle füllte sich. Dann wurde es allmählich
still. Die Vorstellung konnte beginnen. Violettes Licht flutete über die Bühne
und ein riesiger Zylinder aus weißem Stoff senkte sich wie ein raumhohe r Turm auf den
Bühnenboden. Bilder von bunten Vogelschwärmen glitten in Zeitlupe rund um den
Turm und über das Publikum hin.
    Dann wurde
es dunkel. Das Gemurmel verstummte.
    Clara
bebte. Es war so weit.
    Miguel
nickte ihr zu, und sie stieg die schmale Treppe zur Bühne hinauf. Hinter der
weißen Stoffwand konnte sie das Publikum nicht sehen. Sie erahnte es nur, sie
roch und spürte es. Wie ein riesiges vielköpfiges Tier mit Tausenden von Ohren
und Augen, das gierig auf sie wartete.
    Ich habe
Angst, dachte sie. Wenn doch Pedro da wäre! Sie fühlte einen stechenden
Schmerz, dort wo ihr Herz saß.
    Der weiße
Zylinder hob sich nun langsam und darunter stiegen, in gleißendes
Scheinwerferlicht getaucht, dichte Nebelschwaden auf.
    Als sich
der Nebel lichtete, stand eine zarte Gestalt auf der Bühne. Sie trug ein gelbes
bodenlanges Kleid. Ihre wilden Locken schimmerten kastanienfarben im
Scheinwerferlicht.
    Clara sah
Tausende von Händen, die lautlos Beifall klatschten. Der Turm machte jetzt den
Blick frei für eine Kinoleinwand, auf der sich das Meer bis zum Horizont dehnte
und in der Sonne glänzte. Auf den Fluten schaukelte ein Fischerboot, Wellen
leckten über Felsenklippen und Möwen kreisten über der Brandung – wie im Stummfilm.
    Und mit
einem Mal erklang in der Stille das Rauschen des Meeres, das Gischten der
Wellen und das Kreischen der Möwen über den Felsen. Zaghaft zuerst, dann immer
klarer und reiner.
    Es kam von
der zarten Gestalt, die mit geschlossenen Augen auf der Bühne stand und die
Lippen merkwürdig bewegte. Der Luftstrom der Windmaschine strich ihr durchs Haar
und bauschte ihr langes gelbes Kleid. Zu jeder neuen Szene auf der Leinwand
breitete sie neue Geräuschgirlanden aus und Melodien, wie auf einem Klavier gespielt.
    Unter den
Zuschauer gab es viele, die weinten.
    Wenn Pedro
da wäre, dachte Clara wehmütig, würden wir sie zum Tanzen bringen.
     

Die Buche
     
    Schluchzen
schüttelte ihren Körper. Der Buchenast, den sie umklammerte war tränennass.
Noch nie hatte sie sich in ihrem Versteck so trostlos gefühlt. Seit mehr als
einer Woche war Pedro spurlos verschwunden, die Großfahndung ergebnislos
verlaufen.
    Sie sah
seine Augen vor sich, die schwarzen Locken, die unter der Basecap
hervorquollen, sein schüchternes Lächeln. Dachte daran, wie er ihre
verrücktesten Ideen mitmachte, wie er die wild gewordene Elefantenkuh auf sich
gelenkt hatte, um sie zu retten. Sie dachte an seinen Abschied unter der Buche,
an seinen heißen Atem auf ihren Lippen, und das Schluchzen wollte ihre Brust zerreißen.
    Die ganze
Zeit hatte sie versucht ihn auf dem Handy zu erreichen, wie Miguel, wie alle
seine Freunde auch. Aber es sprang immer nur die Mailbox an – und irgendwann
ertönte nur noch das monotone: »Kein Anschluss unter dieser Nummer.«
    War er
verschwunden, weil sie Miguels Einladung in seine Talkshow angenommen hatte? Es
war alles ihre Schuld! Hätte sie doch damals nein gesagt zu Miguels Vorschlag.
Auch wenn er und ihre Mutter sich einig waren. Hätte sie doch nur alles anders
gemacht. Was war der Erfolg ihrer Geräusch-Show, was war ihr Leben ohne Pedro?
    Alles gäbe
ich dafür, Pedro wieder zu sehen, dachte sie. Seine Stimme wieder zu hören, mit
ihm zu reden und zu schweigen. Er war so anders als alle anderen Menschen, die
sie kannte. Ihr Weinen klang gespenstisch einsam und laut.
    Diese
furchtbare Stille! Fast vier Wochen dauerte sie nun schon an. Wie eine eiserne
Klammer drückte sie Clara aufs Gemüt. Anfangs hatte sie gehofft, vielleicht
doch noch irgendein Geräusch erhaschen zu können. Angespannt hatte sie immer
wieder in die Stille hineingelauscht. Sie hatte nur ein unerträgliches hohes
Pfeifen in ihren Ohren gehört, das nicht enden wollte. Tag und Nacht war es da,
schlimmer als die Hölle. Erst nach gut zwei Wochen hatte es sich gelegt.
    Clara
schaute hinunter auf die Häuser. Unvorstellbar, dass die Luft einmal erfüllt
war von Hundegebell und Vogelgezwitscher, vom Summen der Bienen, von all den
Geräuschen, die sie so liebte. Die Erinnerung daran tat so weh, dass sie
glaubte, den Verstand zu verlieren.
    Ihr Blick
schweifte hinüber zum Kiefernwald. Da bemerkte sie etwas, was sie sonst nie
wahrgenommen hatte. Ein Dach aus verwitterten grauen Schindeln ragte

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