Geraeuschkiller - Mutige Liebe
Goldkette um den Hals gehängt, für den Fall, dass er die beiden
anderen verlegte.
»Miguel,
die Einschaltquoten gestern Abend haben Rekordhöhen erreicht! So etwas ist noch
nie da gewesen!«, flötete seine Sekretärin aus dem Handy. »Ein unglaublicher
Triumph! – Hallo …? Miguel? Sind Sie noch dran? Miguel … hallo?«
Miguel fuhr
sich mit der Hand über die Augen. Er saß mit dem Rücken zum Wandspiegel auf
seiner pinkfarbenen Ledercouch.
»Mein Sohn
ist verschwunden!«, sagte er. Seine Stimme zitterte.
»Pedro ist
verschwunden?«
»Ja.«
»Seit
wann?«
»Seit
vorgestern Nachmittag.« Seine Zunge fühlte sich an wie aufgequollen.
»Haben Sie
bei seinen Freunden angerufen?«
»Ja,
zumindest bei denen, deren Nummer ich habe. Aber keiner hat ihn gesehen.«
Die
Sekretärin schwieg. »Kein Anhaltspunkt?«, fragte sie dann.
»Kein
einziger. Clara, die Geräuschakrobatin aus meiner Talkshow, hat ihn vorgestern
noch gesehen. Er wollte spätnachmittags in den Kiefernwald hinter dem Dorf
gehen.«
»War er
dort mit jemandem verabredet?«
»Nein. Er
wollte allein sein – das hat er jedenfalls zu Clara gesagt.«
»Allein
sein?« Die Sekretärin war überrascht.
Miguel
wurde mulmig bei dem Gedanken, dass Pedro mit seinen knapp vierzehn Jahren die
Einsamkeit im Wald suchte! Lag das an ihm? Hatte er es zu weit getrieben mit
seiner Forderung, den armen verstummten Mitch in seiner Talkshow vorzuführen?
»Mein Sohn
hat nicht einmal seinen Hund mitgenommen. Stellen Sie sich vor: Pedro ohne
Mitch. Die zwei sind doch unzertrennlich!«
»Haben Sie
schon die Polizei …?»
»Ja, ich
habe umgehend eine Fahndung angefordert.«
Miguel
wurde speiübel bei der Vorstellung, sein Sohn könnte irgendwo in den umliegenden
Wäldern ermordet und verscharrt worden sein. Kalter Schweiß trat ihm aus allen
Poren. Wäre er nur nie aufs Land gezogen! Aber für seine imposante Traumvilla
mit Park hätte er in der Stadt nie eine Baugenehmigung bekommen. Das hatte er
nun davon. In den einsamen Wäldern hier konnten die schlimmsten
Gewaltverbrechen geschehen und kein Mensch würde etwas davon mitbekommen.
»Miguel –
sind Sie noch dran?«
»Ja,
Tessi.« Er holte tief Luft. »Die Polizei hat gestern Nachmittag die ganze
Gegend abgesucht.«
»Und?«
»Nichts.
Keine Spur.«
»Das tut
mir leid. Entschuldigen Sie, dass ich das nicht wusste – ich bin erst seit
heute aus dem Urlaub zurück.«
»Die
Kriminalpolizei ist eingeschaltet«, sagte er und fühlte eine Traurigkeit, die
ihn wie ein Felsen niederdrückte.
»Es wird
ihm schon nichts zugestoßen sein … Sie wissen doch, wie Landkinder sind, die
bauen sich irgendwo im Wald ein Baumhaus …«
Miguel
schnitt ihr das Wort ab. »Ich habe Angst um ihn«, sagte er.
Sein
zweites Handy vibrierte. »Die Termine drängen, Tessi, kümmern Sie sich bitte um
die Suche nach Pedro. Ich habe einfach keine Zeit dafür. Und verständigen Sie
bitte seine Mutter ... äh meine Ex-Frau. Ihre Telefonnummer ist noch im
Adressbuch ... Kristine Mewes. Kristine mit K wie Kurt. Und Mewes mit M wie Martin
und W wie Wolfgang. Machen Sie’s gut!«
Er legte
auf und nahm das nächste Gespräch an.
»Hallo
Miguel.« Es war einer seiner Redakteure. »Die Show gestern Abend war ein
Mega-Erfolg. Wir müssen schnellstens die letzten Formalitäten für den Auftritt
deiner Geräuschprinzessin nächste Woche in der Stadthalle erledigen. Die Halle
ist jetzt schon ausverkauft!«
»Okay. Bin
in fünf Minuten bei dir«, sagte Miguel.
Er hatte
mit diesem Erfolg gerechnet und schon vor einigen Tagen Claras Auftritt in der
Stadthalle in die Wege geleitet. Früher hatten dort immer große Popkonzerte
stattgefunden. Die Halle, die wie ein Amphitheater angelegt war, fasste 5000
Zuschauer.
Volltreffer,
dachte er, restlos ausverkauft! Ich muss Claras Mutter zu einem Vertrag für
weitere Geräuschvorstellungen überreden und mir die Alleinrechte an dem Mädchen
sichern.
Ein paar
Stunden vor der Show standen die Leute an der Abendkasse Schlange, in der
Hoffnung, zurückgegebene Karten zu ergattern.
Im
Bühnenvorraum fieberte Clara ihrem ersten Auftritt entgegen. »Mama, ich weiß
nicht, ob ich das schaffe. So viele Zuschauer!«
»Du machst
das schon«, sagte Miguel und zwinkerte ihr zu.
Anna
drückte Claras Hand. »Mach die Augen zu und stell dir vor, du bist hinter dem
Holzschuppen!«
»Ich habe
Lampenfieber!«, flüsterte Clara.
»Ich bin ja
bei dir!« Anna gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
Draußen
schwoll das
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