Geraeuschkiller - Mutige Liebe
ihren
Füssen, und die Sporen an Dragus Stiefeln klirrten leise dazu. Es klang wie
wunderbare Musik in Claras Ohren. Rechts führten steinerne Treppen nach unten,
vermutlich in den Keller.
»Du
solltest mir vorher dein Handy geben!«, sagte Dragu.
Clara
schrak zusammen. Das Handy! Ihre einzige Verbindung zu ihren Eltern, zu Knut!
Ehe sie reagieren konnte, hatte Dragu es aus ihrer Hosentasche gezogen. Er
legte es auf den Boden und trat mit seinem Stiefel darauf, bis nichts mehr
davon übrig war als ein Häuflein Splitter. Das Knirschen raubte Clara fast den
Verstand.
»Nein!
Nicht!«, schrie sie. Jetzt war sie total abgeschnitten von der Welt, abgeschnitten
von jeder Rettung!
»So etwas
brauchen wir hier nicht«, sagte Dragu. »Komm.«
Am Ende des
Flurs öffnete er eine große Tür aus Eichenholz und schob sie in einen Raum
hinein. Zuerst sah Clara gar nichts. Nur schwärzeste Dunkelheit. Und der wundersame
Duft von vorhin stieg ihr in die Nase! Nur intensiver. Ihr wurde schwindelig.
Die schwere
Tür fiel hinter ihnen ins Schloss. Eine Falle! Clara verging fast vor Angst.
Was hatte dieser unheimliche Mensch mit ihr vor? Sie sträubte sich, wollte
keinen Schritt mehr weitergehen.
»Mach
schon!«, unterbrach Dragu ihre panische Gedankenflut und packte sie hart am
Arm. Saphirblaues Flirren irrlichterte auf und verlosch wieder. Sie tappte mit
weichen Knien in die Schwärze hinein, kämpfte gegen das Schwindelgefühl an. Nur
langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit.
Sie glaubte
schwere schwarze Vorhänge zu erkennen, die bis zum Boden reichten. Sie
verhängten zwei Fenster, hoch wie die Fenster einer Kapelle. Die Hauskapelle
des pommerschen Fürsten!, schoss es ihr durch den Kopf. Durch einen Spalt im
Vorhang drang ein wenig Tageslicht herein. Dragu schob sie weiter in die
Kapelle hinein. Sie schien leer zu sein.
Jetzt erst bemerkte
Clara, dass auch die Wände ringsum mit schwarzen Vorhängen verkleidet waren.
Nein! Das waren keine Vorhänge! Es war etwas anderes. Etwas, das lebte. Sie
spürte den überwältigenden Drang zu fliehen.
Dragus Hand
legte sich schwer auf ihre Schulter. »Bleib«, sagte er. »Hier passiert dir
nichts.«
Sie blickte
zu Boden, wagte nicht aufzusehen.
»Schau
hin«, sagte Dragu. »Los!«
Doch Clara
kniff fest die Augen zusammen.
»Also, was
ist? Spuckst große Töne von wegen deinen Freund und die Geräusche retten, und
dann kneifst du.«
Sie holte
tief Luft und öffnete die Augen. Im Dämmerlicht sah sie schattenhaft etwas, das
sich hin und her bewegte. Wie Seetang im Meer. Sie blinzelte, um besser zu
sehen. Ohren!, dachte sie. Das sind Hunderte von Ohren! Sie schimmerten. Sie
lebten. Wie an senkrechten Schnüren aufgefädelt baumelten sie von der Decke
fast bis zum Boden. Clara wendete den Kopf ab und trat einen Schritt zurück.
Dragu hielt sie fest.
»Ich halte
das nicht aus«, hauchte sie.
»Willst du,
dass die Geräusche zurückkehren?«
Ein
nervöses Zucken befiel ihre Lider. Angespannt horchte sie in den schrecklichen
Raum hinein. Außer ihrem Atem, der vor Angst zitterte, und außer Dragus
Schnaufen hörte sie nichts.
Sie nickte.
Da ertönte ein
leises schwirrendes Pfeifen. Es kam von Dragu. Lockend und gebieterisch
zugleich.
Wie auf ein
verabredetes Zeichen hin schwebten Hunderte von Ohren sachte beiseite wie ein
Theatervorhang.
Dahinter
glaubte sie eine hohe Mauernische zu erkennen. Schwarzrote Flammen loderten
fauchend auf. Nicht Hitze, sondern Eiseskälte ging von dem düsteren Feuer aus.
Im Schein der Flammen sah sie bröckelnde Malereien an den Mauern, Gestalten mit
abblätternden Heiligenscheinen.
Jetzt
teilte sich das Feuer!
Und
gab den Blick frei auf einen schwarzen Schrein. Er musste aus Ebenholz sein,
rundum schmückten geschnitzte Pantherköpfe seine Wände. Sie fletschten die
Zähne und grinsten sie fratzenhaft an. Der Schrein stand mitten in den Flammen,
doch er brannte nicht! Clara kam alles so unwirklich vor, dass sie glaubte, den
Verstand zu verlieren.
Der Schrein
öffnete sich. Lautlos. In seinem Innern glänzte es wie von unzähligen
Rabenaugen, in denen sich die Flammen spiegelten.
Dragu
griff hinein und wandte sich wieder Clara zu. In seiner Hand funkelte ein
rabenschwarzes Oktagon. Auf den ersten Blick hätte es ein schwarzer Diamant sein
können, hätte er nicht die Größe eines Seeigels gehabt.
Sieht
aus wie ein kleiner Sarg, dachte sie, und ihr wurde unsagbar schwer ums Herz. In
das glänzende Schwarz war eine goldene Zahl
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