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Gérards Heirat

Titel: Gérards Heirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Theuriet
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der Wälder.Jeden Augenblick war er auf dem Sprung, Helenens Verbot zu übertreten und nach Juvigny zu eilen. Nur die Furcht, das schon verursachte Unheil durch seine Anwesenheit noch zu vergrößern, hielt ihn am Waldsaum fest oder trieb ihn wieder entmutigt nach Groß-Allard zurück. Endlich, am Morgen des fünften Tages, konnte er es nicht mehr aushalten; er hatte die Meierei verlassen und kam nun fieberhaft erregt und atemlos in Juvigny an und stand in demselben Augenblick vor der Hausthüre, als auch Herr von Seigneulles vom Pfarrhaus zurückkam.
    Beim Anblick des Schuldigen schleuderten die Augen des Chevaliers wütende Blitze, und er war im Begriff, seinem Zorn auf offener Straße Luft zu machen; trotzdem hatte der hitzige Edelmann noch die Kraft, an sich zu halten; er zeigte Gérard, der mit entblößtem Haupte vor ihm stand, mit einer Handbewegung die Thüre und sagte: »Geh auf mein Zimmer, ich habe mit dir zu reden!«
    Der Ton, in dem dieser Befehl erteilt wurde, ließ Gérard nicht im Zweifel über die Stimmung seines Vaters. Gérard erkannte in dem unruhigen Leuchten der grauen Augen und den harten Linien um die blassen Lippen die Vorboten eines großen Sturmes. Als er die Stufen hinaufstieg, dachte er bei sich: »Kein Zweifel, er weiß schon um das Abenteuer im Höllengrund; um so besser, so bin ich der Verlegenheit enthoben, es ihm selbst zu erzählen, und er ist schon vorbereitet.«
    Als sie im ersten Stock auf der Flur angelangt waren, dessen Fenster nach dem Hof und den Gärten ging, warf Gérard einen flüchtigen Blick hinaus, um vielleicht Helenens Antlitz zwischen den Bäumen zu entdecken, was ihm wieder ein wenig Mut eingeflößt hatte; Herr von Seigneulles ließ ihm aber keine Zeit. Mit einer gebieterischen Bewegung wies er seinen Sohn in sein Zimmer.
    Nachdem der alte Edelmann heftig die Thüre zugeworfen hatte, sagte er:
    »Sieh mir in die Augen und antworte mir einmal in deinem Leben ehrlich... Kennst du die Geschichte, die in der Stadt in Umlauf ist?«
    »Ja, Vater,« entgegnete Gérard, überzeugt, daß sein Vater auf die entdeckte Zusammenkunft im Höllengrund anspiele.
    »Also ist es wahr... und du gestehst es selbst!« rief Herr von Seigneulles schmerzlich bewegt.
    »Ich gestehe es.«
    Der Chevalier schwieg einen Augenblick; die Sicherheit seines Sohnes verwirrte ihn. »Welche Schande,« dachte er, »und er wagt, es zu bekennen; gerechter Himmel, in was für einer Zeit leben wir? – Du solltest dich hundert Klafter tief unter die Erde verkriechen,« begann er wieder, »nachdem du eine solche Ruchlosigkeit begangen hast.«
    »Das Wort ist ein bißchen stark,« sagte Gérard, dem die väterliche Übertreibung ein Lächeln entlockte.
    »Donnerwetter!« zürnte Herr von Seigneulles entrüstet, »du hast noch die Stirne zu lachen? Ich habe Ruchlosigkeit gesagt, und ich bleibe bei dem Wort; es ist nicht zu stark, um diese Sache zu bezeichnen.«
    »Diese Sache ist doch nur natürlich. Du bist auch einmal jung gewesen Vater, und hättest gerade so gehandelt wie ich.«
    »Niemals!« entgegnete der finstere Chevalier verdutzt; »Bist du ein Ehrenmann, Bursche?«
    »Ich glaube.«
    »Ich, für meine Person, fange an, daran zu zweifeln. Nun, was gedenkst du denn bei dieser Lage der Dinge zu thun?«
    »Das wollte ich dich eben fragen,« antwortete Gérard mit unterwürfiger Miene.
    »Mich fragen!« schrie Herr von Seigneulles ganz außer sich. »Fließt denn kein Blut in deinen Adern? Ehe du den Fehler begangen hast, hättest du meine Meinung hören sollen. Du sagst, ich sei jung gewesen wie du... Meinst du, wenn mir ein ähnliches Unglück zugestoßen wäre, hätte ich um Ratgefragt, wie ich mich benehmen sollte? Wir Alten hatten eine andere Art, unsere Pflichten aufzufassen! Was ich gethan hätte? Ich hätte ein Pferd gesattelt und hätte das junge Mädchen aufgesucht, das du hast abreisen lassen, nachdem du sie in unwürdiger Weise bloßgestellt hattest.«
    »Helene ist abgereist!« stammelte Gérard.
    »Spiele doch nicht den Unwissenden!« fuhr der Chevalier fort, während er im Zimmer hin und her rannte; »konnte sie hier bleiben, in der Lage, in die du sie versetzt hast? Nun! wo soll es hingehen?« fügte er hinzu, als Gérard nach der Thüre stürzte.
    »Ich will thun, was du mir vorwirfst, nicht eher gethan zu haben,« antwortete der junge Mann, der sehr bleich geworden war; »ich will sie aufsuchen.«
    »Bleib!« sagte Herr von Seigneulles herrisch und hielt seinen Arm fest.
    »Vater, laß

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