Geraubte Erinnerung
meine Träume angefangen haben. Mein Neuromodell besitzt keine Erinnerung an Träume, die sich nach diesem Scan ereignet haben. Nicht einmal in Ihren Akten über mich wird Jerusalem erwähnt, weil ich nicht mehr zu Ihnen gekommen bin, als diese Stadt zum Mittelpunkt meiner Träume wurde.«
Rachel sah mich nachdenklich an. »Nach Israel fährt man aber nicht so einfach wie nach Paris, wissen Sie? Das Land befindet sich in einem permanenten Kriegszustand. Ich war selbst dort. Sie achten sehr genau darauf, wer nach Israel kommt und wer es verlässt. Die El Al hat viermal strengere Sicherheitsvorkehrungen als sämtliche anderen Fluglinien. Und wir werden von der amerikanischen Regierung gejagt. Sobald wir auch nur versuchen, ein Flugticket zu kaufen, erwarten sie uns am Flughafen.«
»Da haben Sie Recht. Wir benötigen also falsche Reisepässe.«
Sie lachte bitter auf. »Aus Ihrem Mund klingt das, als würden Sie sagen: ›Wir müssen auf dem Heimweg noch Brot und Milch einkaufen.‹«
»Ich habe noch achtzehntausend Dollar an Bargeld. Es muss einen Weg geben, damit falsche Pässe zu bekommen.«
»Falsche Pässe bringen uns in Israel nicht weiter. Die Israelis haben täglich mit Terroristen zu tun.«
»Besser in Israel im Gefängnis als in den Vereinigten Staaten ermordet.«
Rachel lehnte sich im Fahrersitz zurück und seufzte. »Da haben Sie allerdings nicht Unrecht.«
»Ich fahre nach New York«, sagte ich. »Mit achtzehn Riesen in der Tasche finde ich dort jemanden, der mir einen falschen Pass macht. Ich bin fest überzeugt.«
»Was ist mit mir?«
»Sie können gehen oder bleiben. Es ist Ihre Entscheidung.«
Sie nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet. »Ich verstehe. Was wird aus mir, wenn ich nicht mitkomme?«
Ich dachte an Geli Bauers Augen. »Möchten Sie, dass ich Sie belüge?«
Rachel schob den Fahrthebel nach vorn und lenkte den Truck auf die Auffahrt nach Norden. Wir wurden rasch schneller.
»New York?«, fragte ich.
»Nein.«
»Wohin dann?«
Sie sah mich an, und ihr Gesicht war offener, als ich es je erlebt hatte. »Möchten Sie, dass ich mit Ihnen komme, oder nicht?«
Ich wollte. Mehr noch, ich hatte das Gefühl, als müsste sie unbedingt mitkommen. »Ich möchte Sie bei mir haben, Rachel. Aus einer ganzen Reihe von Gründen.«
Sie lachte trocken. »Das ist gut. Weil Sie es ohne mich nämlich nie schaffen würden. Es ist nicht sehr gesund, wenn man ganz allein unterwegs ist und dann plötzlich bewusstlos wird, wissen Sie? Wenn ich Sie vorhin im Truck allein gelassen hätte, wären Sie inzwischen nämlich bereits tot, wissen Sie?«
»Ich weiß, Rachel. Kommen Sie mit?«
Sie überholte einen Tanklastzug und ordnete sich wieder auf der linken Spur ein. »Wenn Sie nach Israel wollen, müssen wir zuerst nach Washington.«
Ich versteifte mich im Sitz. All meine Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit waren schlagartig wieder erwacht. »Warum Washington?«
»Weil ich dort jemanden kenne, der uns helfen kann.«
»Wen?«
Ich wollte ihr in die Augen sehen, doch sie blickte unverwandt auf die Straße. »Ich habe viele Frauen behandelt während meiner Zeit in New York. Hauptsächlich Frauen sogar.«
»Und?«
»Einige von ihnen hatten Probleme mit ihren Ehemännern.«
»Und?«
»Manchmal gestattete ein Gericht den Männern ein Besuchsrecht für ihre Kinder, trotz aller Beweise von körperlichen Misshandlungen. Einige der Frauen hatten so viel Angst, dass sie glaubten, ihnen bliebe keine Alternative als die Flucht.«
Ich spürte ein Jucken in den Handflächen. »Sie sprechen von Sorgerechtsangelegenheiten. Von Entführung der eigenen Kinder.«
Sie nickte. »Es ist nicht schwierig, sich vor der Polizei zu verstecken, wenn man allein ist. Aber mit Kindern ist es fast unmöglich. Man muss sie zur Schule schicken, muss mit ihnen zu ärztlichen Untersuchungen, all das.« Sie sah mich an, und ihr Gesicht war angespannt. »Diese Frauen besitzen ein Netzwerk. Eine Art Untergrundverbindung. Sie verfügen über Ressourcen.«
»Neue Identitäten«, sagte ich.
»Genau. Für ein Kind ist die Grundlage für eine neue Identität die Geburtsurkunde. Für einen Erwachsenen ist es die Sozialversicherungskarte und ein Pass. Ich weiß nicht viele Einzelheiten, doch ich weiß, dass die Leute, die diesen Frauen helfen, in Washington sitzen.«
»Diese Frauen kaufen falsche Pässe in Washington D. C.?«
Rachel schüttelte den Kopf. »Sie sind nicht gefälscht. Sie sind echt.«
» Echt? Wie meinen Sie
Weitere Kostenlose Bücher