Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
In den beiden Geldgürteln steckten fünfzehntausend Dollar an Barmitteln, doch sie wollte keinen Verdacht erwecken, indem sie dieses Geld vorwies. Als der Notarzt sie schließlich informierte, dass gegenwärtig kein Bett in der Neurologie frei war, wäre Rachel ihm vor Erleichterung fast um den Hals gefallen. David würde einstweilen in der Notaufnahme bleiben müssen.
    Als ein EEG-Techniker eine transportable Einheit in das Behandlungszimmer rollte, um ein Elektroenzephalogramm von Davids Gehirn anzufertigen, sah Rachel auf den ersten Blick, dass er ein fähiger Bursche war. Er schaltete den größten Teil der elektrischen Apparaturen im Zimmer ab, bevor er seine Untersuchung durchführte, was Hintergrundinterferenzen so weit als möglich eliminierte und viel deutlichere Linien zur Folge hatte.
    Als das Gerät die ersten Linien aufzeichnete, machte der Techniker ein besorgtes Gesicht, und Rachel sah bald den Grund dafür. Davids Gehirn zeigte ausschließlich Alphawellenaktivität von gleichmäßiger Frequenz und Amplitude. Der Techniker beugte sich vor und klatschte neben Davids Ohr in die Hände, doch die Alphawellen desynchronisierten nicht. Sie veränderten sich überhaupt nicht.
    Rachels Hoffnung sank. David schien in einen Zustand gefallen zu sein, den Fachleute als »Alpha-Koma« bezeichneten. Nur wenige Patienten erwachten jemals aus einem Alpha-Koma.
    »Sind Sie Ärztin?«, fragte der EEG-Techniker, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte.
    »Ja.«
    Sein Blick wurde weich. »Es tut mir Leid«, sagte er leise.
    Als er die Hand ausstreckte, um das Gerät abzuschalten, sah Rachel, wie sich auf dem Monitor eine Theta-Welle bildete.
    »Warten Sie!«, rief sie aufgeregt und deutete auf den Bildschirm.
    »Ich sehe es auch.«
    Die Theta-Wellen kamen in immer größeren Amplituden. Dann gesellten sich Beta-Wellen hinzu.
    »Er träumt !«, sagte Rachel ungläubig. »Kann es sein, dass er nur schläft ?«
    Der Techniker kniff David in den Oberarm. Keine Reaktion. Er beugte sich zu David herab und rief ihm laut ins Ohr: »Aufwachen!«
    Nichts.
    »Er schläft nicht«, sagte der Techniker nachdenklich. »Aber diese Theta-Wellen werden eindeutig von Minute zu Minute intensiver.«
    »Was hat das Ihrer Meinung nach zu bedeuten?«, fragte Rachel.
    »Dieser Mann ist definitiv in einem Alpha-Koma, aber sein Gehirn macht irgendetwas. Ich weiß nicht, was …« Der Techniker ging zur Tür; dann drehte er sich noch einmal zu Rachel um. »Ich lasse das Gerät angeschlossen und schicke Ihnen einen Neurologen, okay?«
    »Danke.«
    Sie saß alleine neben Davids Bett und beobachtete mit zitternden Händen den Bildschirm. Bevor die Theta-Wellen aufgetreten waren, hatte sie David für so gut wie tot gehalten. Jetzt wusste sie nicht mehr, was sie denken sollte. Irgendetwas geschah in seinem Kopf. Halluzinierte er vielleicht im Koma genauso wie während seiner narkoleptischen Anfälle? Oder war er vielleicht gar nicht in ein Koma gefallen, sondern litt unter einerAttacke von Narkolepsie? Manchmal erschienen Patienten komatös, wenn sie in Wirklichkeit eine Serie kleiner Anfälle erlitten. Doch das EEG zeigte keine Anfallserie. Es zeigte eindeutig ein Alpha-Koma, unterbrochen von unerklärlichen Theta- und Beta-Störungen.
    Sie wollte nicht über das nachdenken, was David vor dem Anfall getan hatte, doch ihre Gedanken kehrten immer wieder zu diesem Punkt zurück. Im düsteren Zwielicht der Grabkirche hatte er nach Spuren vom Leben Jesu auf der Erde gesucht. Oder von seinem Tod. Er hatte die traditionellen Orte, die von den Pilgerscharen aus allen Ländern verehrt wurden, verächtlich abgetan – den Salbungsstein, das Grab selbst –, doch schließlich war er an der Stelle, wo Jesus am Kreuz gestorben war, auf die Knie gesunken. »Das ist die Stelle«, hatte er geflüstert. Und dann war der Anfall gekommen.
    Eigentlich hatte es schon früher angefangen. Als David das Fresko betrachtet hatte, das den ans Kreuz geschlagenen Jesus zeigte, hatte er die Fäuste geballt, als hätte er unerträgliche Schmerzen in den Händen. Was war in seinem Kopf vorgegangen? Glaubte er tatsächlich, dass er Jesus Christus war? Glaubte er es so vollkommen, dass er die Wunden in den Händen des Heilands spürte? Sie hatte von Fällen von Stigmata gehört, die allein durch Imagination entstanden waren, doch sie hatte nie wirklich daran geglaubt, dass so etwas möglich war. Beobachtete sie hier einen ähnlichen Fall?
    Sie packte Davids schlaffe Hand. Trotz des

Weitere Kostenlose Bücher