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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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sitzen im gleichen Boot, Ravi, Sie, ich, Geli Bauer und ihr Vater, der General. Wenn wir alle die gleiche Geschichte erzählen, kann uns niemand etwas anhaben. Aber dafür muss Peter sterben.«
    Ravi schloss gequält die Augen.
    »Unser aller Leben ruht jetzt in Ihrer Hand«, fuhr Skow fort. »Ein paar mutige Sekunden, und wir haben eine reine Weste.«
    Rein?, dachte Ravi Nara. Ich werde mich nie wieder rein fühlen.
    War es moralisch falsch, Peter Godin zu töten? Der Mann war nur noch Stunden von einem natürlichen Tod entfernt, und ohne Ravis Anstrengungen wäre er bereits vor vielen Tagen gestorben. Godin hatte die Eliminierung Tennants ohne eine sichtbare Gefühlsregung angeordnet. Außerdem war da die nahezu fantastische Realität, dass die Eliminierung von Godins Körper sein Leben nicht wirklich beenden würde. Solange Godins Neuromodell existierte, konnte er jederzeit im Trinity-Computer wieder zum Leben erweckt werden.
    Das Problem war nicht moralischer Natur, sondern ein Problem sich bietender Gelegenheit. Wenn ein Mann erst so krank war wie Godin, gab es ein halbes Dutzend Möglichkeiten, ihn unauffällig über die Klippe springen zu lassen. Doch Godins Pfleger ließen den alten Mann nicht eine Sekunde allein. Ravi hatte sie heute schon zweimal getestet; beide Male hatten sie Mobiltelefone aus der Tasche gezogen und andere, zur Bereitschaft eingeteilte Pfleger geweckt, die ihnen zu Hilfe gekommen waren.
    Nachdem Ravi eine Reihe von Möglichkeiten durchdacht hatte, war er auf die Kaliumchloridlösung gekommen. Er hatte eineSpritze vorbereitet. Um die Pfleger abzulenken, würde er einen Alarm auf einem der Monitore auslösen und den Inhalt der Spritze schnell in den intravenösen Tropf injizieren. Godin würde in ein weiteres Koma fallen – und nie wieder daraus erwachen.
    Die ultravioletten Lampen der Dekontaminationsschleuse summten auf und erloschen. Durch die Plexiglastür der Blase sah Ravi die weißen Kittel der Pfleger schimmern.
    Wo steckt eigentlich Geli Bauer?, fragte er sich verzweifelt. Dieser Job ist wie gemacht für ihre Fähigkeiten.
    Ravi öffnete die Schleuse zur Blase und erstarrte. Seine Kehle war von einer Sekunde zur anderen wie zugeschnürt. Neben einem der beiden Pfleger stand – Geli Bauer. Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und sah Stück für Stück genauso gefährlich und unberechenbar aus wie bei ihrer letzten Begegnung im Trinity Complex in North Carolina.
    »Hallo Ravi«, sagte sie. »Sie sehen aus, als wären Sie überrascht, mich hier anzutreffen.«
    Ravi brachte kein Wort über die Lippen. Geli trug eine kugelsichere Weste über ihrem schwarzen Kampfanzug sowie einen Waffengürtel mit Pistole, Taser und Messer.
    Godin betätigte einen Schalter, und die obere Hälfte des Bettes richtete sich auf. Godins blaue Augen waren auf Ravi gerichtet. Erst in diesem Moment bemerkte Ravi, dass Godin nicht mehr an den Respirator angeschlossen war.
    »Was haben Sie zu sagen, Ravi?«, sprach der alte Mann ihn an.
    »Ich … ich bin überrascht, Geli hier gesund und munter anzutreffen«, stammelte Ravi. »Ich dachte, sie hätte eine Halswunde?«
    Geli lächelte und zog ihren schwarzen Rollkragen weg. Darunter kam ein weißer Druckverband zum Vorschein. »Bloß eine weitere Narbe für meine Sammlung«, sagte sie. »Ich hatte ein gutes Chirurgenteam, das mich fachmännisch verarztet hat.«
    Ravis Herz schlug bis zum Hals. Was zur Hölle suchte Geli Bauer in White Sands? Und wieso bewachte sie Peter Godin?Nach Skows Worten hatte sie die Notwendigkeit von Godins Tod bereits akzeptiert und war mit Skows Plan einverstanden!
    Der alte Mann schien sich über Ravis Unbehagen zu amüsieren. »Nun, da bin ich jedenfalls«, rasselte er, »auferstanden von den Toten. Sie sagen, diesmal wäre es mein Herz gewesen.«
    »Ja«, bestätigte Ravi. »Ventrikeltachykardie.«
    »Ich höre, es wären meine Pfleger gewesen, die mich zurückgebracht haben.«
    Ravi konnte nur an die Spritze in seiner Tasche denken. Er war sicher, dass Geli zu ihm treten, sie herausziehen und ihm in die Halsschlagader rammen würde.
    »Sie haben perfekte Arbeit geleistet«, gab Ravi zu.
    Godin nickte. »Hätten Sie das auch getan, Ravi?«, fragte er. »Wenn Sie mit mir alleine gewesen wären, meine ich?«
    Ravis Magen drohte zu rebellieren. »Ich verstehe die Frage nicht, Peter. Selbstverständlich hätte ich es ebenfalls getan.«
    Godin ignorierte seine Antwort. »Was Geli angeht … Ich wollte sie bei mir haben.

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